La Düsseldorf – Viva Individuellos :: La Düsseldorf

Warum ausgerechnet das noble Düsseldorf zwischen todschicker Kö, snobistischer Hochfinanz und Bussi-Bussi -Society eine ganze Reihe innovativer Beiträge zum Thema „Krautrock“ lieferte, bleibt wohl für alle Zeiten ein Geheimnis. Gehen wir einfach davon aus, daß in der kreativen Hochzeit, also zwischen 1970 und 1980, ein guter Stern über dem musikalischen Nachwuchs Düsseldorfs stand. Klaus Dinger ist einer dieser zwischen traditionellem Rockverständnis und futuristischer Elektronikavantgarde oszillierenden Düsseldorfer Musiker. Er kann von sich behaupten, Mitglied der drei wichtigsten Bands gewesen zu sein: Kraftwerk, Neu!, La Düsseldorf heißen die Stationen – und wie sämtliche Protagonisten in dieser mitunter etwas mythoshaft-spinnerten Karrierevita zwischen Egozentrik, Künstlerwahn, Futurismus und Götterdämmerung darfauch er als äußerst exzentrische Persönlichkeit eingestuft werden.

Daß das Gründungsjahr von La Düsseldorf just in jene Ära fällt, als Kraftwerk nach diversen Experimenten mit dem wesentlich kommerzieller ausgerichteten Konzept des vierten Albums Autobahn und der gleichnamigen Single die Top 5 der US-Billboard-Charts knackten, ist kein Zufall. Dinger, der zuvor im Gespann mit Michael Rother mit Neu! wegweisende Musik geschaffen hatte, hegte mit neuen Musikern an seiner Seite, Bruder Thomas und Hans Lampe, künstlerische Visionen der besonderen Art: „Ich versuche zu realisieren, was ich (räume. „Als das La Düsseldorf (4,5 Sterne) betitelte Debüt, auf dessen Cover ironischerweise eine Nachtaufnahme des von Architekt Schneider-Esleben (Vater von Kraftwerker Florian) konzipierten Düsseldorfer Flughafens zu sehen ist, 1976 erschien, trat es innerhalb kürzester Zeit nicht nur eine Lawine in Insiderkreisen los-auch der Single-Edit des poppigen Instrumentals „Silver Cloud“ kletterte bis auf Rang 14 in den Funkcharts. Mit Gespür für simple Harmonien zwischen analoger Elektronik, handgemachter Perkussion und unter der Ägide von Produzent Conny Plank knüpfte das Trio nahtlos an das ein Jahr zuvor erschienene Neu! 75 an. Die eigensinnigen Lokalheroen der nordrheinwestfälischen Hauptstadt beschäftigen sich in ihren Texten im plakativen Telegrammstil mit Fragen des Lifestyles, an dem sich im Verlauf von 30 Jahren so manches geändert, einiges aber auch gleichgeblieben ist: Im Mittelpunkt standen Freizeitgott Fußball, das Industrieschwergewicht Rheinmetall, das Modezentrum Düsseldorf sowie die Dekadenz der Reichen und Schönen. Doch es ist die cinematographische Kraft der vier Titel, die es dem Hörer überläßt, seine eigenen emotionalen Bilder zu entwerfen.

Noch exaltierter gerierte sich Dinger auf dem zwei Jahre später im hauseigenen La-Düsseldorf-Studio entstandenen und selbstproduzierten Werk Viva (5 Sterne) Im erweiterten Line-up mit Pianist Andreas Schnell und Bassist Harald Konietzko beschrieben La Düsseldorf auf dem Album, das sich über 150.000 Mal verkaufte, in einer eigenwilligen Mixtur aus deutsch-englischen Textfragmenten die harte Realität der Unternehmer („Geld ist das Trauma dieser Welt – Geld regiert die Welt“) mit der Utopie für eine sozial gerechte Zukunft („Cha Cha 2000“) – zeitlose Themen, die in unserer durch Globalisierung geprägten Weltenordnung im 21. Jahrhundert brisanter nicht sein könnten. Signifikant wurde der Zeitgeist von 1977 vor allem mit einem Mehr an rotzigen Gitarren und hypnotischem Trommeln beschworen: Im Titelstück wird gegrölt wie in der Westkurve („Es lebe uns’re Welt“), „White Overalls“ und „Geld“ präsentieren sich als Punk-Rock-Songs mit anderen Mitteln. Im romantischen Instrumental „Rheinita“ schließlich, geprägt vom Dinger’schen Minimalismus, wird die rhythmische Monotonie mit schlichter Melodik auf die Spitze getrieben. Die Krönung folgt im 2ominütigen „Cha Cha 2000“, das auf der LP die gesamte zweite Seite einnahm. Bis zum abrupten Einsetzen eines repetierenden Klavierparts nach der Hälfte der Spielzeit entwickelt sich das Stück kaum merklich. Dennoch entsteht nie der Eindruck, hier werde eine Drei-Minuten-Idee endlos ausgeschlachtet.

Das dritte und finale Werk lag 1980 zur Blüte der britischen New Wave und noch vor der Neuen Deutschen Welle vor: Individuellos (3 Sterne) war weniger griffig und kompositorisch pfiffig als die Vorgänger. Wieder dominieren Dingers hymnische Ingredienzen zu textlichen Manifesten für eine geläuterte Menschheit wie in „Menschen 1 + 2“. Insgesamt herrscht auf dem Album jedoch eine Tendenz zum Profanen mit dem Credo, drei bis vier gute Ideen auf zwei Plattenseiten auszuwalzen. Immerhin brachte Thomas Dinger mit „Tintarella Di…“ nicht nur einen der interessantesten Beiträge, sondern auch ein Jahr später sein egozentrisches Solowerk für mich ganz im Alleingang, ohne den übergroßen Bruder Klaus. Der distanzierte sich drei Jahre später von Individuellos mit den Worten: „Die haben wir voll in den Sand gesetzt.“ Gemessen an den Verkaufszahlen des Vorgängers mag das richtig sein, künstlerisch allerdings sind die neun Tracks – trotz des beinah schon in den volkstümlichen Schlager driftenden Totalausfalls „Dampfriemen“-als nicht ganz so fatal zu bewerten. Wirklich traurig stimmt allerdings die Tatsache, daß Andreas Schnells filigranes Pianospiel auf dem Schlußsong „Das Yvönnchen“ zum letzten Mal erklang – im Alter von 25 Jahren nahm er sich im Mai 1980 das Leben,

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