Sufian Stevens – Come On Feel The Illinoise

Wenn man bedenkt, was Sufjan Stevens im Zustand vollkommener geistiger Zurechnungsfähgkeit und – so berichten zuverlässige Quellen – auch garantiert ironiefrei angekündigt hat, muß man schon mal tief durchatmen: Mit dem Heimspiel Greetings From Michigan The Great Lake State startete der 30jährige US-Sänger und Songwriter im letzten Jahr eine CD-Serie, die jedem der 50 US-Bundesstaaten genau eine CD widmet. Dazu darf man noch weitere außerprojektmäßige CDs (wie Enjoy Your Rabbit) von 2001, Seven Swans von 2004) erwarten, die des Künstlers Liturgien und bibelfeste Liedervon Liebe, Glück und Verfehlung ins Land tragen. Kurzum, es wäre tragisch, wenn Stevens am Ende nicht 100 Jahre alt werden würde. Auf dem Cover von comeon feelthe illinoise (Slade-Fans zucken kurz mit den Augenbrauen) düst Sufjan Stevens in der Arbeitskleidung von Superman am Sears Tower in Chicago vorbei, und das Bild konnte kaum besser gewählt sein für diese Überplatte in Rot. Blau und Gelb: Stevens‘ eigene Findelkindgeschichte liest sich wie die des Comic-Boys, der am Stadtrand von Smallville aufgelesen und bald stark wie eine Armee sein wird. Die One-Man-Army Stevens rettet Amerika in 50 Etappen, diese besitzt 22 Songs und fast 75 Minuten Spielzeit. Die Songs könnten Romane sein, sie hören sich so an und sind beizeiten von ambitionierten jungen Romanciers ausleihbar: „The Black Hawk War“, „The Man Of Metropolis Steals Our Hearts“, „Decatur. Or: Round Of Applause For Your Stepmother“. Was Stevens alles für dieses Konzeptalbum zusammengetragen hat. ist unglaublich. Abgeschlossene Mini-Musicals, zarte Folk-Melodien, Marschlieder und Ambient-Stücke wechseln im Zweiminutentakt und bilden ein strahlendes, starkes Ganzes. Das Spiel mit den Namen und Orten, in dem Serienmörder und Pulitzerpreisträger genauso auftauchen wie des Musikers so gar nicht bescheidene Persönlichkeit – all das kann nur das Werk eines manisch Begabten und hoffnungsfroh Besessenen sein, dessen Gesamtausgabe schon nach so wenigen Platten um diese fünf Buchstaben kreist: Genie. Mit zarter Stimme schlüpft Stevens von einem Song in den anderen, von einem Ort in den nächsten, und immer ist ein Funken Hoffnung im schalen Horror der Zeit enthalten, ein amerikanisches Glaubensbekenntnis im Sprudel der Melodien. Marschkapellen und Schulchöre marschieren vorbei, Streichquartett und Pianist spielen zum Sonntagmorgen. Aber was wäre diese Platte ohne den auf sechs Minuten zusteuernden Höhepunkt, den Stevens einer Liebeserklärung geographischsentimentaler Art widmet, „Chicago „? Weniger Big-City-Blues als Pop-Sinfonie und Jack-Kerouac-Ode. „Chicago“ ist Sufjan Stevens‘ On-the-raad-Story, erzählt, wie sie als Jungsnach Chicago und New York gefahren sind, die Nächte auf Parkplätzen verbracht, die Klamotten verscherbelt haben, nur um irgendwie weiterzukommen. Im Aufwind von Streichern, Glockenspiel und Bläsern tritt der Sänger in die Nacht und hat sein amerikanisches Erweckungserlebnis: „I’II was crymg in my van with my friend/ it was for freedom/ from myself and from the land“. Jetzt den Eid auf das gute Amerika ablegen: In Sufjan we trust. 48 Top-Alben werden noch erwartet. VÖ: 11.7.

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