The Singles
Wenn jetzt zum Beispiel ein Singer/Songwriter die wunderbarsten Songs writet, dir aber sein Gesinge auf den Sack geht, weil du seine Falsettstimme einfach nicht ertragen kannst, weil sie eine Gänsehaut (in schlecht) bei dir verursacht und die Arrangements der Songs bei dir die Kitschwarnlampen aufleuchten lassen, dann handelt es sich dabei um das sogenannte „Rufus-Wainwright-Syndrom“. Es ist unheilbar, und „Hope There’s Someone“ (Rough Trade/ Sanctuary/Rough Trade) ist die neue Single von Antony & The Johnsons.
Hm hm, ja ja. Missy Elliott. „Lose Control“ (Atlantic/Warner) ist schon irgendwie gut in seiner Ich-rappe-wie-ein-Wirbelwind-Attitüde und mit diesen High-Speed-Kraftwerk-„Spiegelsaal“-Soundbeigaben, und Fat Man Scoop und Ciara machen auch mit. Nur dieser Snoop-Dogg-„Drop It Like It’s Hot „-Effekt will sich nicht einstellen. Und das ist ja wohl das Mindeste, was man erwarten kann.
Mehr The Clash und Joe Strummer geht nicht. „Loaded Gun‘ (Deltasonic -UK-Import) ist die vierte Single aus dem Album von The Dead 60s, das in Deutschland Ende September erscheint. Auf CD 1 gibt’s neben dem hektisch-manischen, baßgetriebenen Punk-Popper die beiden Non-Album-Tracks „TV & Magazines“ und „Cold Soul“. Letzterer einer dieser unnachahmlichen digitalen Dubs der Dead-60s-Schule, die aber erst noch gegründet werden muß. Auf CD 2 die – Überraschung – Coverversion von „Seven Nation Army“, hier als Dub mit dem berühmten Gitarrenriff, das jeder für ein Baßriff hält, als Baßriff.
„Carolina“ (Rough Trade/Sanctuary/Rough Trade) von Adam Green, das wissen wir schon seit ein paar Monaten, ist ein großartiger Song, auch wenn der Hauptdarstellerin rote Ziegelsteine aus der Vagina fallen, was einen Besuch beim Gynäkologen als ratsam erscheinen läßt. Daneben auf der Single: drei Coverversionen. „Morning After Midnight“ des Antifolk-Sängers Turner Cody, der – wie wir ja auch wissen – zusammen mit seiner süßen Freundin Lizzy in Brooklyn lebt. Dazu gibt es eine schöne Version von Velvet Undergrounds „‚ll Be Your Mirror“ und mit Hoagy Carmichaels „Heart And Soul“, das im Programm von Bud Powell und Ella Fitzgerald war, eine neue Erkenntnis: Adam Green kann fei auch Jazz. Wer hätte das gedacht?
Wenn man davon ausgeht, daß in der Mitte eines neuen Pop-Jahrzehnts das alte abgehakt sein müßte (wer zum Beispiel wollte 1995 noch Duran Duran hären?), dann kann man Lenny Kravitz durchaus eine gewisse Sturköpfigkeit nicht absprechen. Seine „Lady“ (Virgin/EMI/Capitol) ist ein lieblos hingerotzter und planloser „Rocker“ mit einem Text, der für Gänsehäute des Schreckens gut ist: I’m crazee lor this tittle ladee. l’m freaking for my little babee. Cause she makes me feel good. She ’s so fine. Dont need all my other ladees. I’m beggin‘ for this little ladee. Cause I teil you she’s cool. She’s divine.“ Ist das scheiße, oder was?
Wer ein Album voller Hits vorweisen kann, darf ruhig alle paar Monate einen davon als Single veröffentlichen. „Disco Infiltrator“ (DFA/EMI/Capitol) von LCD Soundsystem ist der Song auf dem Album, der soundästhetisch am nächsten an Kraftwerk dran ist. Deshalb hat wohl auch der legendäre Kraftwerk-Remixer Francois K auf dem Vinyl, das ich heute leider zu Hause vergessen habe, zwei hervorragende Remixe angefertigt, die das bißchen Rock aus dem Song nehmen und ihn noch ein Stück weiter in Richtung tanzbare Elektronik schieben. Auf der CD gibt’s das Siouxie-&-The-Banshees-Cover „Slowdive“ aus einer Session für den Londoner Radiosender „XFM“.
Wer ein Album voller Hits vorweisen kann, darf ruhig alle paar Monate etc. etc. „Going Missing“ (Warp/Rough Trade) ist die hervorragende neue Single aus dem hervorragenden Album A certain TRIGGER der hervorragenden Maximo Park. Ein perfekter Popsong mit den Windungen, Drehungen und Verschlingungen, die Maximo Park so großartig machen. Auf den zwei Singles gibt es reichlich unveröffentlichtes Zeug: Den Non-Album-Track „A10“ und die Akustikversionen von „Going Missing“ und „Kiss You Better“.
Prefuse 73 „Reads The Books EP“ [Warp/Rough Trade]. Wenn man das. was im ersten Satz vor der Klammer steht, was ja nichts weiter ist als die in Plattenbesprechungen übliche chronologische Abfolge von Künstler und Kunstwerktitel, liest, ist schon alles gesagt. Prefuse 73 (Scott Herren) nimmt sich acht Tracks der Avant-Folk-Kritikerlieblinge The Books her und dreht sie durch seinen Post-HipHop-Produktionswolf. Celli und Banjos und das ganze akustische Books-Zeug wird von Scott Herren mit sanften Mikrobeats und dekonstruktivistischen Verschiebungen aufgeladen. Wunderbar, sagen wir mal.
Sven Schuhmacher ist der „Sidekick“ von Sarah Kuttner in „Sarah Kuttner -Die Show“. Sein Running-Gag-Kirchentags-Song „Aufstehn aufeinanderzugehn (Sony BMG) ist wahrscheinlich schon ein alter Hut. wenn diese Zeilen gedruckt werden, was ausdrücklich nicht an der Musikexpress-Redaktion liegt, sondern an der, ähem, Kontaktperson bei „Sarah Kuttner – Die Show“, die es nicht geschafft hat, die Single früher einzutüten. Was aber nichts daran ändert, daß dieses Lied ein hübscher Post-Festivals-Kater-Aufwecksong ist. Wir warten trotzdem sehnsüchtig auf die Debütsingles von Ungewaschen zum Arzt und Schweine am Freitag.
Mehr News und Stories