The White Stripes
Get Behind Me Satan
Ein Klavier! Ein Klavier! Jack White hat die Gitarre gegen das Klavier getauscht und ein kleines Garagen-Progrock-Album gemacht.
Manchmal bleibt von einer Platte, wenn die ganze Euphorie verklungen ist, wenn sich all die Lobeshymnen verzogen haben, weil an anderer Stelle weitergelobt werden will, wenn die Musik wieder im Mittelpunkt steht, weil das Werk von der Zeit vom Ereignis zum Album zurückgestuft wurde, ein einziger Song. „Seven Nation Army“ ist der Song, dervom 2003er White-Stripes-Album Elephant bleiben wird. Einer, der immer wieder gehört werden wird, auch dann, wenn die Sehnsucht nach der Platte, die er eröffnet, längst abgestorben ist wie das Gefühl nach einer unerwiderten Liebe. „Blue Orchid“ wird der Song von Get Behind Me Satan sein, der immer wieder gehört werden wird, auch dann, wenn diese Platte, die er eröffnet, längst kein Ereignis mehr ist, sondern nur noch „die fünfte der White Stripes„.
„Blue Orchid“, dieser kleine Bastard aus AC/DC-Riff und Prince-Gesang, dieses Monster Of Rock, ist der irreführende Einstieg in eine Platte, die nur von jemandem gemacht werden kann, dem alles egal sein kann, zum Beispiel die Plattenfirma und die Zielgruppe, die sich – aus unterschiedlichsten Gründen – ein zweites Elephant gewünscht hätten. Was „Blue Orchid“ folgt, ist eine Sammlung von Songs, bei denen Klavier und Schlagzeug, das klingt wie ein alter Pappkarton, als Hauptinstrumente die Reduktion der ohnehin aufs Wesentliche reduzierten Musik der White Stripes auf die Spitze treiben. Hier mal ein bißchen Akustikgitarre, da ein bißchen Marimba und bei drei Songs die elektrische Gitarre. Wenn diese kleinen akustischen Songs Haken schlagen, sich aufbäumen, zusammenfallen und sich kurz bevor sie auf den Boden krachen in einer anderen Geschwindigkeit in neue Richtung aufmachen, dann ist das Progrock mit den einfachsten Mitteln.
Der Hippie-Folk hat den Teufel des Neo-Bluesrock bei den White Stripes ausgetrieben. Und trotzdem hat Get Behind Me Satan alle Zutaten, die ein White-Stripes-Album ausmachen. Große Kinderliedmelodien, den bombastischen Schwulst in Jack Whites Stimme, die seinem Leid am Leben, bei dem man nicht weiß, ob es echt ist oder Inszenierung, eine Form geben soll. Nur sind diese Zutaten nach einem neuen Rezept verarbeitet, so daß das Ergebnis nicht wie ein White-Stripes-Album schmeckt, es schmeckt nicht nach giftigen Gitarren und Garagenrock und nur noch im Abgang ein bißchen nach Led Zeppelin.
Get Behind Me Satan ist anders. Jack und Meg White sind anders. Sie finden in ihrer gezielten Politik der Nichtinformation (keine Interviews bitte!), die die Veröffentlichung des Albums begleitet, dann aber immer noch ein Plätzchen, um sich für die eigene Subversivitit auf die Schulter zu klopfen. Ihr fünftes Album, lassen The White Stripes verbreiten, wurde in nurzwei Wochen aufgenommen. Kein einziger Song war vor den Aufnahmen komplett fertigkomponiert. Elephant war damals ein Jahr nach seiner Fertigstellung herausgebracht worden. „Blue Orchid“, die erste Single des neuen Albums, wurde zwei Wochen nach ihrer Aufnahme veröffentlicht, sagen sie. Und für die Vinylversion von Get Behind Me Satan wollen The White Stripes alle Songs noch einmal live im Studio einspielen. Ob dieses Verhalten nun „real“ und „authentisch“ ist oder einfach nur die Spinnerei von zwei Arschlöchern, die sich alles erlauben können, ist eigentlich egal. Wichtig ist – solange Get Behind Me Satan noch ein Ereignis ist – eigentlich nur eins: The White Stripes haben kein zweites Elephant gemacht.
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