M.I.A. – Arular :: „„Ya ya heyyyy, woy oy ee oy hay yoyo“
Wie ging noch das Geburtsgeschrei der Popmusik? „Awopbopaloobopalopbamboom“. Little Richard hatte sich gehörig verschluckt bei „Tutti Frutti“. Am Anfang zählte nur der Krach. Krach, Aggressivität, Verflucbtnochma]neusein. Und was heute gut war, gehörte morgen auf den Müllhaufen des Pop.
M.I.A. ist vom ersten bis zum letzten Buchstaben verfluchtnochmalneu: „Ba-na-na-ba-na-na/say it again now.“ „Blaze fo blaze, galang a lang alanga / Purple haze, galang a langa langlang.“ „Ya ya heyyyy /woy oyeeoy hay yoyo.“ So geht das auf dieser Platte. Krach, Aggressivität und Doo-wah-diddy-diddy im Beat einer Maschinenpistole. Dazwischen gibt’s M.I.A.A.A. buchstabiert, Kinder-Reime aus Sri Lanka und onomatopoetischen Leistungssport, nah am Wummern einer antiken Roland 505 Groovebox gebaut. M.I.A. hat ihre Stimme gehaßt, anfangs jedenfalls. „God, I can’t rap“. erzählt sie dem Kollegen Christoph Lindemann im Interview. Wie sehr sie’s auch versuchte, es klappte mit dem Sprechgesang nicht, es klappte überhaupt nicht mit irgendeiner Art von Gesang. Dann hat sie noch mal von vorn angefangen. Es brauchte ein paar Zufalls-Beats, um M.I.A. Gesang zu schenken. Erst die Beats, dann das Studio, dann der Produzent. Und jetzt die Welt? M.I.A. ist zur Zeit das Diskursliebchen von ein paar Bloggern, die enthusiastische Ghetto-Beat-Schriften durchs Internet jagen. Wenn man das Debüt ARULAR hört, läßt sich gar nicht mehr unterscheiden zwischen Gesang und Gerät. Die Geräte singen, spielen kurze Trompetenfanfaren, sie können Steel Drums ausspucken die Stimme leiert, schaukelt zwischen den Vokalen und dröhnt, als hätte man Bow WowWow mit einer elektrischen Zahnbürste kurzgeschlossen.
Ein sicherer Hinweis auf relevante neue Popmusik, so stellte Fach-Philosoph Diedrich Diederichsen schon vor einer Dekade fest, sei, daß ihr nachgesagt wird, da höre sich doch jedes Stück gleich an. Hier kommt die Blaupause für den Gleichklang 2005. Dancehall-Reggae, HipHop, Bhangra und der Beatmüll der Popwelt verschmilzen in M.I.A.s Kesselanlage zu einem attraktiven Gerumpel – Tanzmusik, in deren Innern die Elemente nur so hin- und hertitschen, hyperaktivund widerspenstig melodisch. Culture Clash auf Weltklasseniveau. Das klingt billig, synthetisch und ist wichtig. Den bigbuzz in London hat M.I.A. schon. Die (auf dem Album enthaltene) Debüt-Single „Galang“, ursprünglich in einer Auflage von 500 Stück erschienen, war in null Komma nichts weg, „Sunshowers“ (mit einem Zitat von Dr. Buzzard’s Original Savannah Band) und das im Netz kursierende Mixtape PIRACY FUNDS TERRORISM, VOL ONE mit Diplo folgten unter dem Gebrüll der Szene noch im letzten Jahr. Die Vergleiche mit Dizzee Rascal, dem jungen Helden des britischen HipHop, wollen nicht recht passen: Rascal stellt seine Entgrenzung, seine Entfremdung von den amerikanischen Originalen dar, er gibt seiner Musik eine Heimat. Bei M.I.A. darf man sich nie sicher sein: Ist das der Future Sound des London Grime, eine Mutation des Favela Funk made in Rio, ein Art-School-Klon von Missy Elliott oder ein Pop-Bastard aus allen dreien? Am Ende ist’s M.I.A., produziert u.a. von Ex-Pulp-Bassist Steve Mackey. Weitreichendere Kontextualisierungen erlaubt die Biographie der Künstlerin. M.I.A. heißt Maya Arulpragasam, ist in London geboren, in Sri Lanka aufgewachsen. Ihr Vater war Mitglied der Terror-Organisation Tamil Tigers – „Arular“ sein Alias. Die Mutter flüchtete mit Maya und deren Geschwistern aus dem Bürgerkrieg, einmal quer durchs Land, schließlich nach Indien, 1986 landeten sie in einem Housing-Projekt am abbröckelnden Süd-Ende Londons. „Growing up, brewing up/guerrilla getting trained up / look out, look out from over the rooftop“ – solche Zeilen schießen wie Gedankenpfeile durch die Tracks, sie lassen kurz Bilder aufflackern. „I’m a soldier on that war/a nice nice fighter“. Nicht, daß wir wüßten, welchen Krieg sie da meint, M.I.A. ist nice fighter und private dancer im Feierabendtraum der Globalisierungsgegner. „They say river’s gonna run through / work is going to save you/praying you will pull through/sucka dick, he’ll help you“. Sie hat ihre Wortpingpongmaschine angeworfen. Die Bälle fliegen. Nur so.
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