Filmgenres: Horrorfilm hrsg. von Ursula Vossen

Man kann hierzulande nun wirklich nicht über ein Überangebot an Sekundärliteratur zum Horrorfilm an sich klagen; beim Stöbern in den Filmbuchregalen diverser Buchhandlungen fällt einem meist höchstens irgendein schriller Kabelsenderschund oder das bestenfalls lachhafte „Neue Lexikon des Horrorfilms“ von Roland M. Hahn und Rolf Giesen in die Hände. In seiner Seriosität [die übrigens auch für die anderen Bände dieser Reihe gilt] steht Reclams Genreführer ziemlich einsam da. Das ist erstaunlich, da Deutschland doch eigentlich als Geburtsstätte des Horrorfilms gilt! So beginnt dieser Filmführer folgerichtig bei Robert Wienes expressionistischem Meisterwerk „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von 1919. Die Besprechung schließt mit einem Satz, der die „Notwendigkeit“ des Horrorfilms beleuchtet und erklärt, warum das Genre schon immer umstritten war und auch weiterhin bleiben muss: „Die Fundamentatkritik an der ‚gesunden‘ Weltwahrnehmung, das tiefe Misstrauen gegenüber Welt und Ordnung, das metzscheonische Spiel mit der Alternative Wahnsinn ist notwendiger Bestandteil eines jeden Horrorfilms.“ Jede einzelne Filmbesprechung zeugt von Kompetenz und bleibt dabei unterhaltsam; niemals versteigt sich einer der Autoren in kryptisches Gelaber. Da auch die älteren Filme unter aktuellen Aspekten betrachtet werden, überkommt den Fan sogleich der Wunsch, den ein oder anderen Klassiker noch mal anzusehen – diesmal mit geschärftem Blick. Mit „Klassiker“ sind natürlich nicht nur alte Schwarzweißstreifen gemeint, sondern auch Meilensteine des Absurden und Bösen aus den 7Oern, so manche Funsplatter der 90er und potentielle Klassikerwie „The Others“ von 2001. Einziger Wermutstropfen: Das Buch ist zu dünn! Man wünscht es sich als dicken Wälzer dann wäre auch Platz für einige Filme, die wohl aus Platzgründen entweder gar nicht oder nur am Rande erwähnt wurden, beispielsweise „Rosemarys Baby“, die Werke von William Castle, die legendären britischen Hammer-Productions und least but not last „Dämonisch [Frailty]“, der wohl beste Horrorfilm der letzten Jahre. Aber man kann nicht alles haben, und vielleicht kommt, wenn wir brav sind, mal eine dicke Neuauflage dieses wirklich empfehlenswerten Büchleins heraus.

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