Eva Cassidy – Sings

Im Märchen ist es ganz einfach, da widerfährt Aschenputtel am Ende doch noch Gerechtigkeit, das Mauerblümchen erblüht zur Prinzessin. In der Realität geht’s freilich nicht immer so glatt, die Geschichte der lange weitgehend verschmähten Eva Cassidy fand kein Happy End. Viele Jahre wurde das Sangestalent sträflich verkannt, und als dann 1998 der Starruhm mit einer Nummer eins in den britischen Albumcharts kam, hatte die US-Amerikanerin nichts mehr davon: Zwei Jahre zuvor war sie mit 33 Jahren an Krebs verstorben. Seit ihrem frühen Tod werden nun die kleinsten Klangkrümel im Schallarchiv zusammengekratzt und posthum nach und nach herausgegeben. Nun hat man beim Zusammenfegen auch noch unveröffentlichtes Filmmatenal aufgestöbert. Was wir auf dem DVD-Debüt sehen, war ursprünglich für Promoclips gedacht, ein Freund hatte Cassidy dafür im Januar 1996 bei einem Club-Gig gefilmt. Unter normalen Umständen hätten diese mal blau-, mal grünstichigen, verwaschenen und wackligen Amateuraufnahmen wohl niemals das Licht der Welt erblickt, aufgrund der herzzerreißenden Vorgeschichte sind sie trotzdem willkommen. Wir erleben eine scheue junge Frau, die, sobald sie ihre wunderbar natürliche Stimme erhebt, jede Unsicherheit ablegt. Die Blondine aus Maryland verzaubert in dem 45-minütigen Livemitschnitt mit angenehm warmem Gesang und besticht mit der besonderen Gabe, sich Songs aus der Feder von Kollegen zu Eigen zu machen. Zugleich glänzt sie mit einer stilistischen Wandlungsfähigkeit, die alles von Soul über Jazz und Blues bis Pop souverän abdeckt.

www.evacassidy.org