Live Aid 4 DVDs
Die Geschichte muss einfach voller Widersprüche sein. Anders ist es schlichtweg nicht erklärbar, dass ein Jahrzehnt, das vordergründig von Thatcherismus, Ronald Reagan und Kohls geistig-moralicher Wende geprägt war, die größte Benefiz-Show aller Zeilen gebar. Eigentlich war Engagement doch kein Thema mehr, Anpassung und Karriere hießen die neuen Leitlinien, Doof-Schnösel durften sich jetzt Yuppie nennen und kalte Krieger, versaute Flüsse oder detonierende Atomkraftwerke störten nur die Stimmung. Von verhungernden Afrikanern ganzzu schweigen. Aber dennoch: Bob Geldof, Sänger der 1984 nicht mehr ganz so taufrischen Boomtown Rats aus Dublin, organisierte für Hungeropfer in Äthiopien nicht nur die immens erfolgreiche All-Star-Benefiz-Single „Do They Know It’s Christmas?“ – die Amerikaner zogen ganz schnell mit „USA For Africa“ nach – sondern im ahr darauf auch das bis dato größte Medienereignis der Popgeschichte. Zeitgleich spielten am 13. ]uli 1985 im Londoner Wembley-Stadion und den )FK-Stadion in Philadelphia 16 Stunden lang Dutzende Bands, per SatellitenÜbertragung erreichten die Shows weltweit 1,5 Milliarden Zuschauer. Noch mehr Fakten: Sämtliche Künstler traten ohne Gage auf, die Ticketerlöse. Spenden und Femseheinnahmen kamen mehr oder minder direkt den Hungernden in Afrika zugute: im Londoner Publikum dösten Charles und Diana vorsieh hin, Jack Nicholson moderierte in Philadelphia; riesige „Diamond Vision“-Leinwände neben den Bühnen zeigten, was gerade im jeweils anderen Stadion abging; Sausewind Phil Collins raste mit der „Concorde“ über den Atlantik und machte sich auf beiden Bühnen breit, und ein irischer Sänger mit dunklen Augenringen wurde später zum Sir geadelt. Wer an den Soer Jahren popkulturell warum auch immer einen Narren gefressen hat und ahnt, dass all dieRetro-Showsim Fernsehen nicht einmal die halbe Wahrheit erzählen, für den sind die vier DVDs mit rund zehn Stunden Spielzeit gewiss unverzichtbar. Man erlebt alternde Größen wie Bryan Ferry.TheWhounddie Beach Boys, viel Zeitgeistiges wie Spandau Ballet, Adam Ant, Duran Duran, Sade und Nik Kershaw- letzterer englischer Landessieger beim „Tag der komischen Frisuren“ -, kommende Größen wie Madonna und 1NXS, edlen Pop von Ultravox, die untoten Status Quo (deren „Rockin‘ All OverThe World“ endlich einmal Sinn machte), einen dicklichen Elton John, einen smarten David Bowie, ein losgelassenes Bühnentier namens Freddie Mercury (Foto), Vokuhila-Bono, die rrrockenden Lederuschis Judas Priest und und und: Herzlich willkommen zur großen Starparade der Rockmusik! Nicht jeder spielt in Bestform, aber wirklich jeder ist dabei, der Rang und Namen hat. Oder hatte. Damals in den8oer Jahren. Warum hungernde Sudanesen heute vergeblich daraufwarten müssen, dass irgendein Popstar Spendierhosen verteilt und „lasset uns singen“ befiehlt? Keine Ahnung. Liegt wohl daran, dass Geiz geil ist und sich Geschichte ohnehin nie wiederholt. Oder an Hartz IV.
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