The Go-Betweens – Liberty Belle And The Black Diamond Express Tallulah 16 Lovers Lane

In den achtziger Jahren hat es immer geregnet. Weil in den Kneipen die Yuppies ihren plärrenden Hysterie-Karneval abzogen, saß man in halb verdunkelten Buden zusammen, hörte The Smiths, Pale Fountains und Echo &The Bunnymen und sträubte das poetische Gefieder, damit einem ein bisschen warm würde. Und wenn jemand mal auf die Idee kam, eine nicht depressive, unpathetische, sonnige etc. Platte aufzulegen, dann war die im Zweifelsfall von vor 1974. Kurz gesagt: Es schien plausibel, Heroin zu nehmen, sich die Pulsadern aufzuschlitzen und eine Band wie Guns N’Roses zu gründen, um ein, of all things, Hardrockrevival einzuläuten. Aber dann kamen die Go-Betweens daher.

Und zwar so: „Guten Tag! Wir sind Robert Forsterund Grant McLennan und würden Ihnen gerne ein Lied vorsingen, um etwas Sonne in Ihr Leben zu bringen und ein kleines Lächeln auf Ihr Gesicht zu zaubern. Wie wäre das? Effektgeräte? Monsterverstärker? Danke, brauchen wir nicht. Vorab sollten wir Ihnen vielleicht kurz erklären, wie das funktioniert; möglicherweise spüren Sie eines Tages auch das Bedürfnis, ein wenig Sonne in das Leben Ihrer Mitmenschen zu bringen und ein kleines Lächeln auf ihre Gesichter zu zaubern. Wenn Sie dann gerade eine Gitarre zur Hand haben, könnten Sie zum Beispiel vier Akkorde spielen – so etwa. Dass die ganze Sache schön schwingt. Dann brauchen Sie nur noch eine hübsche kleine Geschichte, die auf eine hübsche kleine Melodie draufpasst. Vielleicht linden Sie eine in Ihren alten Tagebüchern? Oder wenn Sie aus dem Fenster sehen? Oder einfach so? Singen, werden Sie feststellen, kann eigentlich ein jeder, der ein gutes Herz hat. Wenn es ein bisschen so klingt wie Lou Reed in den frühen Tagen von Velvet Underground, dann müssen Sie sich nicht grämen: Viele schöne Dinge erinnern an die frühen Tage von Velvet Underground. Vermeiden sollten Sie lediglich Großmannssucht, Brunftgeschrei, pyrotechnisches Brimborium, weltumarmerische Pathosduseligkeit, Ruckizucki-Hektik, Gnisel-Häme, Elektro-Klimbim und dieses ganze Zeug.“

Die Go-Betweens waren 1981 von Australien nach London gezogen, hatten drei Alben veröffentlicht, die kaum jemand bemerkte außer ein paar Kritikern in halb verdunkelten Räumen, und dann noch mal drei (nämlich die vorliegenden), denen es kaum besser ging, die aber viel zu schön waren, um ein anderes Schicksal zu erleiden als die Alben von Velvet Underground: Kaum war die Band aufgelöst (am 51.12.1989, wie passend!), schwoll schon das „Kult“-Geschrei an, und plötzlich behaupteten mehr Leute (und Bandgründer sowieso), die Go-Betweens schon immer geliebt zu haben, als die Band je Platten verkauft hatte. Grant McLennan und Robert Forster machten Soloalben, die kaum jemand bemerkte, taten sich 1999 wieder zusammen und machten als Go-Betweens weiter. Was, wirahnen es, kaum jemand bemerkte. Aber jetzt regnet es wieder, und weil man, während draußen die Yuppies ihren plärrenden Hysterie-Karneval abziehen, am besten in halb verdunkelten Räumen in alten Platten wühlt, hat jemand in staubigen Archiven die Go-Betweens gefunden und beschlossen, diese drei Platten neu aufzulegen (die anderen auch, aber nicht für Rezensenten). Samt je einer Extra-CD mit Bonustracks, was löblich ist, denn die Demos, Outtakes, Alternativ-Versionen etc. hätten auch auf die eine CD mit draufgepasst, aber so bleiben die Alben intakt. Und dann setzt man sich hin und lauscht und lächelt, und ich schwöre, ich scha-wöhre: „The Wrong Road“ ist, zumindest für ein paar Minuten, der schönste Song aller Zeiten. Oder „You Teil Me“? Oder „Someone Eise’s Wife“? Oder … Ach, sie sind alle kaum weniger schön, schwerelos, luftig-melanrholisch, klug, bescheiden, verträumt und zeitlos. Tja, so war das in den achtziger lahren: Da hat es immerzu geregnet. So schlimm, dass man Heroin nehmen und sich in Guns N ‚Roses verwandeln musste. Hätte müssen. Wenn nicht rechtzeitigdie Go-Betweens dahergekommen wären.