Tuxedomoon
Cabin In The Sky
Avantgarde-Elektronik: Unser Beitrag aus der beliebten Reihe: 100 hervorragende Leistungen europäischer Kultur, Wiedervereinigungs-Special.
Nein nein, möchte man laut ausrufen, tut es nicht! Und schon ist’s geschehen: Gerade mal wiedervereinte, gut gemeinte, originalbesetzte Achtziger-Jahre-Bands comebacken so mirnichtsdirnichts mit ihren neuen Tonträgern, als gelte es, das letzte bisschen Anstand im Rockbumms zu versenken. Und nun gleich die Ausnahme von der Regel. Tuxedomoon waren, darüber klärten schon die beiden großen ersten Alben der Band aus San Francisco, half-mute und desire (1980 und 1981 auf Ralph Records veröffentlicht!, auf, nie etwas anderes als Freigänger in den umliegenden Dörfern der New und NoWave: ein auf Rhythm Loops, Saxofongeräuschen und herrlichen Elegien gegründeter Verein zur Vertreibung der eigenen Dämonen. San Francisco calling: „Give me new noise / Give me new affection / Strange new toys from another world“ laus „What Use“. Dem späteren Umzug nach Europa folgten weitere Prototypen futuristischer Popmusik mit immer neuen Schwerpunkten. Warum und wie nun dieses neue Album entstanden ist, ist leider nicht überliefert, cabin IN THE SKY beginnt mit einem Original-Peter-Principle-Tucker-Bass und nimmt Fahrt via Dub auf „A Home Away“, schlingert im Weiteren auf sehnsüchtigen Piano- und Bläsermotiven und fährt durch die eigenwillig gewachsenen Biosphären von Blaine Reininger und Steven Brown, den beiden anderen Ur-Recken in diesem Ensemble verschärfter Tagträumer und gereifter Soundpolitiker. In den Songs und Klanggemälden von Tuxedomoon finden die inzwischen weit voneinander entfernt lebenden Musiker eine Art geografische Mitte, die Gastbeiträge von DJ Hell auf diesem Album, der im Jahr 2003 den Tuxedomoon-Klassiker „NoTears“ remixte und die Band auf eine gemeinsame Deutschland-Tour einlud, die Beiträge von Tarwater, John McEntire, lan Simmonds, den Crammed-Discs-Labelkollegen Aksak Maboul verleihen den Tuxedomoon-Kompositionen befreundete Texturen und den gewissen Schuss Hipness. Aus CABIN in THE SKY scheinen sich 100 Linien zu einem Knäuel zu formen, wenn man dieses wieder entknotet, treten hervorragende Leistungen der europäischen Kultur zutage – die deutsche Elektronik, das italienische Lied, der verschwurbelte Britrock. Balkanmusik und ein Hirngespinst von Jazz, das seit 30 Jahren in den Abgründen desselben wohnt. Nur gut, dass sie es getan haben.