The Faint – Wet From Birth
Mit einer guten Portion „internationaler Härte „.
Dass Todd Baechle, Sänger und Hauptaktivist in Reihen von The Faint, auf der Bühne dann und wann die Neigung verspüren soll, blank zu ziehen, ist schwer vorstell bar. Baechle gehört zu den Leuten, von denen man sich kaum ein Bild machen kann. Er weint manchmal mehr, als dass er singt, er weiß, wie man einen Synthesizer auf Vintage-Sounds fahren kann, und er hat ein Faible für Dancefloor, ohne Dancefloor zu produzieren. Aber sonst?
Seine Band The Faint machte anfangs allein damit Schlagzeilen, dass sie einem Eckchen der USA entstammt, dass bis vor kurzem noch Pop-Niemandsland war, Omaha, Nebraska. Mit den fabelhaften Veröffentlichungen des ortsansässigen Saddle Creek Labels, das sich mit Bands wieThe Good Life, Azure Ray und Now It’s Overhead gerade zum Sub Pop des Mittleren Westens aufschwingt, und der frühen Seligsprechung des Superknaben Conor Oberst (Bright Eyes) ist nun ein Bezugsrahmen da.
The Faint sind aus einer Indierocktruppe namens Norman Bailer hervorgegangen, der eine Zeit lang eben jener Conor Oberst angehörte. Das war vor zehn Jahren. 1999 erscheint das erste Faint-Album der neuen ZeitTechnung: blank-wave arcade. Eine Band, die sexy zu nennen allenfalls als Ironie durchgeht, macht ein Album über Sex und redefiniert sich Punk und New Wave zurecht. Seit der Veröffentlichung von DANSE MACABRE 2002 fehlen The Faint in keiner Neo-Wave-Hype-Geschichte dieser Welt. Doch bevor die Electroclash-Poüzei zwecks umgehender Verhaftung und Eingemeindung bei Baechles vorfuhr, hatte die Band schon wieder die Kurve gekratzt. Electroclash? Ach, nee.
WETFROM BIRTH ist eher Dorfdisco mit einer guten Portion „internationaler Härte“ (Reinhold Beckmann). Es geht also schon ordentlich auf die Zwölf, im Großen und Ganzen aber besteht kein Grund, von regelwidrig grobem Spiel zu sprechen. The Faint haben’s gerne eckig und kantig – nie ist ein Stück zuende gefeilt oder gar mit Applikationen versehen worden, vieles von dem, was Baechle & Co auf diesem Album versammelt haben, könnte Live-Sessionsausdem Studio entstammen. Es tut den zehn Beiträgen gut, dass sich alles um eine Frage dreht: Wie kann ich meine drei ganz verschiedenen Lieblingssounds auf einen gemeinsamen Nenner bringen? Ein ]ahr lang haben The Faint sich in einem alten Lagerhaus in Nebraska getroffen und an dieser Nuss geknackt. Was dabei herausgekommen ist, hören wir auf wet from birth. Um es mit einer Vokabel des Schreckens zu sagen: tanzbarer Klassik-Rock. Oder: Gothic-Dancefloor-Emo. Es kommt nicht von ungefähr, dass alle Beschreibungen dieser Musik so bedrückend klingen, in DANSE MAC ABRE war die Diabolik angelegt, wet from birth kulminiert sie in einer vierminürigen „Paranoiattack“.
Nach der ersten Schreckstarre aber löst sich etwas, die disparaten Elemente sind akustisch gut voneinander getrennt, die Gesamtlinie stimmt. „Erection“ beispielsweise kommt wie eine verlangsamte, zerstückelte Version von Norman Greenbaums Supersynthieoldie „Spirit In The Sky“ daher, „Drop Kick The Punks“, eins, zwei, drei auf gut Deutsch angezählt, könnte man ohne Probleme einer Sex-Pistols-Outtakes-Collection unterjubeln. Davor, dazwischen und dahinter werden Bässe platt getreten, Violinen spielen seltsame Ouvertüren, ein Rest von Indie-Rock-Melancholie macht sich breit, Adagio für Gitarren. Diese gute Musik widerstrebt jedem Versuch, ein gutes Gefühl zu haben. Wenn man’s richtig machen möchte, hört man dieses Album lauter als andere. Dann, so deutet Todd Baechle auf der Homepage seiner Band an, lässt sich vielleicht herausfinden, wo genau auf diesem Album die Band ein Solo versteckt hat, bei dem Waschbärpenis und Auspufftopf zum Einsatz kommen. Ja, die Beats sind makaber.
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