Howling At The Moon

Alle guten Geschichten, stellt Walter Yetnikoff gleich zu Anfang klar, bestehen aus drei Akten. Bei seiner eigenen, folglich guten, sind das folgende: „Akt 1: Ich werde verrückt. Akt 2: Ich werde noch verrückter, Akt 3: am allerverrücktesten.“ Er habe lum die Einleitung kurz abzurunden und den Titel zu erklären) zeit seines Lebens seinen „inneren Wolf heulen lassen“. Und dann geht’s in medias res: Schon nach zwei Zeilen hat Jackie Onassis ihren dritten Orgasmus hinter sich, und… wir sind Yetnikoff zum ersten Mal aufgesessen, denn das war soweit nur eine besoffene Phantasie des Mannes, den sie „Velvel nannten, des (heute yiiährigenl anständig erzogenen Sohnes einer jüdischen Familie aus Brooklyn, dessen Selbstverwirklichungsdrang nach der Ausbildung zum Anwalt titanische Dimensionen annahm, der in kurzer Zeit zum Präsidenten des Mega-Labels CBS aufschoss und in einer Zeit, als das Musikbusiness ein Niagarafall von Geld, Wirbel und Wahnsinn war, dementsprechend lebte (bis zum Verkauf an Sony]. Er war in der idealen Position, um alles zu wollen, alles zu kriegen und alles mitzukriegen, was andere so trieben, wenn die Kameras abgeschaltet waren. Sein erstes Signing waren 1975 die Jackson 5 (von deren Qualitäten er nicht sofort überzeugt war: Janet wirkte „doof“, die Tanzschritte „müde“). Also kann er es sich leisten, Michael Jackson am Telefon wie einen kleinen Buben (dessen verqueren, kindischen Umgang mit der Welt wir nebenbei mitkriegen) zu verarschen.

Er kann es sich leisten, Paul Simon (der ihn in dem Film „One Trick Pony“ als „Walter Fox“ karikierte! für einen illoyalen Wichtigtuer zu halten, nach Belieben zu beschimpfen und rauszuwerfen, James Taylors Anwalt Peter Asher lals der sich für seinen Klienten Bedenkzeit ausbittet) anzubrüllen: „Halt’s Maul, rotköpfiger englischer Verräter!“ und Bruce Springsteens Vierspur-LP Nebraska zu veröffentlichen. Im Umgang mit der Konkurrenz, speziell Warner Brothers, ist Yetnikoff jedes Mittel recht und die Genfer Konvention ein Witz. Und irgendwann ist absehbar, dass er sich alles das letztlich doch nicht leisten kann, denn Velvels Karrieremotor läuft mit einer Mischung aus ethisch-moralischer Verwahrlosung, Rücksichtslosigkeit, Unmengen Alkohol und jeder nur denkbaren Droge – der Zusammenbruch kommt so logisch wie unausweichlich. Hier wird das Buch – das merklich aus nüchterner Rücksicht geschrieben ist und bei aller Rummswumms-Großmäuligkeit nur stellenweise wirklich ins pikante Detail geht) präziser, reflektierter; und wenn schließlich aus dem Katastrophenkessel einer ruinierten Ehe, vernichteter PseudoFreundschaften, den Scherben und Trümmern von Karriere, Gesundheit und Geisteszustand nach Entzug, Zwölf-Stufen-Therapie und Anonyme-Alkoholiker-Selbstentblöfiung ein fast normaler Mensch herauskriecht, der mehr über sich selbst und „das Geschäft“ gelernt hat, als die meisten von uns je lernen werden, dessen „innerer Wolf“ immer noch heult, der sich aber auch seiner Kindheit im Nachkriegs-New-York entsinnt, dann wächst Yetnikoff als Erzähler zu großer Wirkung. So kommen auch jene Leser, die von dem lustvoll und bei aller Simplizität durchaus witzig geschriebenen Buch mehr erwarten als haarsträubende Anekdoten, auf ihre Kosten.