Otis Taylor – Double V
Im Blues, praktisch dem Urgrund aller relevanten Spielarten der Rockmusik, herrscht seit Jahren weitgehend kreativer Stillstand. Schon vor einer halben Ewigkeit hat der HipHop dem Bluesidiom die Funktion als wichtigste breitenwirksame musikalische Ausdrucksform der schwarzen Amerikaner abgenommen. Frische, auf zeitgemäße Art packende und bluesige Töne kommen derzeit fast nurvon jungen weißen Rockbands wie den White Stripes oder den Black Keys, die sich dem Blueserbe mit Punkattitüde nähern. Etwas ganz anderes ist es, das Genre sozusagen von innen her. also nicht durch die Kreuzung mit anderen Stilen, wiederzubeleben. Wie macht man das? Otis Taylor, ein aufrechter Individualist aus Chicago, der nach langer Absenz von der Szene im vergangenen Jahr mit seinem Album truth is not fiction international Aufhören erregte, macht es jedenfalls so: Er kleidet seine spröden Songs in unorthodox instrumentierte Arrangements mit abwechselnd einer elektrischen Mandoline, einem Banjo oder einer Akustikgitarre als Hauptinstrument, gelegentlich einem Bass und ein oder zwei Celli dazu. Einmal darf auch eine Trompete sanft klagen, aber kein Schlagzeug, keine Keyboards, erst recht keine Bläser füüer. diese sparsamen Inszenierungen, die ein starkes Gefühl von Weite, quasi akustisches Cinemascope, beim Hörer auslösen. Speziell mit der Mandoline und dem elektrischen Banjo produziert Taylor unverbrauchtere Sounds als andere mit noch so hypermodernen Digitalgerätschaften. Aber das ist alles nicht das Eigentliche: Dieser Bär von einem Mann erzählt mit bissig-sonorer Stimme Geschichten vom wirklichen Leben, greift aber eben nicht auf die Bluesklischees aus den Dreifiigern zurück, die die meisten Blueser im Geiste kreuzbraver Traditionsverwaltung auch heute noch verwenden. Taylors Geschichten sind zwar oft bewusst der Historie entlehnt, aber nur, weil sie paradigmatisch für auch heute noch intakte Unterdrückungsmechanismen stehen. In ihnen artikuliert er seine Wut und seinen Schmerz über den Rassismus der Gegenwart. Und das befeuert seine Musik, gibt ihr Schärfe und Dringlichkeit.
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