The Streets – A Grand Don’t Come For Free
Die erste Platte von Mike Skinner, der sich fast schon verschämt hinter dem Projekt The Streets verbarg, traf nicht nur England mit kometengleicher Wucht. Fast noch ein kleiner Junge war das, der da zu rumpelnden Beats und mit deutlich britischem Akzent aus seinem Leben als Außenseiter erzählte, teilweise bittere Wahrheiten mit unverschämtem Pop-Appeal. Von Kritikern wie Fans wurde original pirate Material prompt auf eine Stufe mit london calling von The Clash und Pulps different class gestellt. Und kaum eine Rezension kam um die rhetorische Frage herum, ob das Phänomen wohl von Dauer sei. Es ist. Auch wenn Mike Skinner inzwischen nicht mehr mit den billigsten Mikrofonen am Markt und seinem eigenen Schlafzimmer als Studio auskommen muss. Sein Händchen für Melodien, die ins Herz, und Beats, die in die Beine gehen – es zittert nicht. Und auch sein Talent, alltägliche Geschichten in minimal produzierte HipHop-Perlen zu verwandeln, hat unter dem Ruhm keineswegs gelitten. Wir hören: gemeine, teilweise vertrackte Rhythmen und subsonisches Bass-Seufzen. Wir hören: sparsame Samples, gerne auch Streicher, von flüchtiger Opulenz und taktvoller Platzierung. Wir hören: einen kontinuierlichen „stream of consciousness“ über das Leben, tja, als kleiner Junge aus der Vorstadt, der über Nacht zum Hip-Hop-Helden einer Pop-Nation wurde und sich nun fragen muss, wem er eigentlich noch vertrauen kann, wobei er den gesungenen Refrain auch gerne seinen zahlreichen Gästen überlässt. Wir hören, auch wenn wir uns darüber verwundert die Ohren reiben, ein Konzeptalbum über einen hart erarbeiteten, aber plötzlich verschwundenen 1000-Pfund-Schein, im Slang „a grand“ genannt, einen kaputten Fernseher, komische Kumpel und Frauen, immer wieder Frauen, denen man ja sowieso nicht vertrauen kann. Die Single „Fit But You Know It“ etwa kommt auf einem frechen Riff dahergeritten, von Skinner selbst auf einer Fender Telecaster gespielt, und handelt von dieser Schönheit vor der Kasse im Schnellrestaurant – eine jener Frauen, deren Ausstrahlung ausgerechnet darunter leidet, dass sie um ihre Schönheit weiß. Skinner nervt nicht mit präpotenten Beschimpfungen konkurrierender Musiker, er langweilt nicht mit vergrübelter Introspektion, sondern erinnert mit seinem sozialen Blick an die spartanische Beat-Poesie vergangener Zeiten. Überhaupt Konzentriert er sich auf den Popsong, mit Beats wie mächtigen Pfeilern mitten in der Geschichte, anstatt sich in Klischees oder verspielten „Interludes“ zu verlieren. Auf Flirts mit der Gewalt und dem üblen Leben auf der Straße, die hierzulande selbst bei Rappern aus Rödelheim zum guten Ton gehören, verzichtet er nicht nur, er führt sie mit trockenem Humor ad absurdurn das Brutalste auf der Platte ist eine lächerliche Rangelei mit dem Elektriker. Aber das gehört schon zum Finale der Geschichte und soll hier nicht verraten werden. Auf dieser Platte wird kein „explicit lyrics‘-Sticker kleben, sondern ein Hinweis auf ihre zwei, drei, vier oder fünf Hit-Singles. Hoffen wir mal, dass ihr das nicht schadet.
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