Virginia Rodrigues – Mares Profundos

„Canto De Ossanha‘ und „Berimbau“ gehören neben dem „Girl From Ipanema“ zum Standardrepertoire für Touristen an der Copacabana. Nichts Aufregendes also, wenn sich eine Künstlerin aus Salvador die weltbekannten Afro-Sambas zur Brust nimmt. Inspiriert von einer Reise in den Nordosten des Landes komponierten Baden Powell und Vinicius de Moraes den Songzyklus 1966, um die aus dem schwarzen Samba extrahierte, weiße Bossa Nova wieder an das afrikanische Erbe rückzukoppeln. Virginia Rodrigues jedoch denkt nicht daran, Bahias Straßenmeute in taumelnde Tänzer zu verwandeln. Auf dem Vorgänger nos trieb sie Salvadors Axe-Music den Rhythmus aus und verwandelte die Carnaval-Hits mit ihrer Kirchenchor-geschulten Altstimme in getragene Balladen voller Schwermut. Ähnliches widerfährt nun den Afro-Sambas auf mares profundos, geschmackvoll arrangiert und als neoklassizistische Kammermusik verpackt, verlegt Virginia ihre Afro-Roots in den westlichen Konzertsaal. Da die einst von Caetano Veloso entdeckte Sängerin keines der Brasilien-Klischees bedient, wird ihr drittes Album dem Publikum gezielt als „Classic-Crossover“ empfohlen. Mit „Brasiliens neuer Gesangsstimme“ startet die Deutsche Grammophon ihr junges Label „eDGe music“. Ein Versuch, angesichts schwindender Märkte neue Pubtikumsnischen zu besetzen.