Diana Krall – The Girl In The Other Room

Zählt man Norah Jones mal nicht als Jazzmusikerin (und dafür spricht bei aller Sympathie manches), dann ist Diana Krall die kommerziell erfolgreichste Jazzerin unserer Tage. Das verdankt sie vornehmlich drei Trümpfen: einer blendenden pianistischen Technik, ihrer leicht angerauten Altstimme, die sie mit abgeklärter und effektsicherer Phrasierung einsetzt, und ihrem fotogenen Äußeren. Ihre phänomenalen Verkaufserfolge haben in der Jazzszene auch mancherlei Neider auf den Plan gerufen. Die machen der Kanadierin vor allem zum Vorwurf, dass sie sich in ihrem Repertoire bislang vor allem auf Standards stützt und diese perfekt, aber ohne innovatorischen Ehrgeiz interpretiert. Zumindest das mit den Standards kann man jetzt streichen: THE GIRL IN THE OTHER ROOM ISt das erste Krall-Album, das nicht fast ausschließlich aus Coverversionen besteht. Neben Stücken von Mose Allison, Tom Waits, Joni Mitchell u.a. stehen hier erstmals fünf von Krall gemeinsam mit ihrem frisch gebackenen Ehemann Elvis Costelto geschriebene Songs, wobei die Musik mit Ausnahme des Titelsongs stets von Krall stammt. Kein geringes Risiko, schließlich konkurrieren diese Songs im Repertoire der Pianistin und Sängerin mit tausendfach bewährten Superklassikern. Der Mut hat sich gelohnt-. Die blonde Jazzdiva erweist sich auch als Komponistin als mit allen Wassern gewaschenes Jazzvollblut. Das Beste hat sie sich selbstbewusst für den Schluss aufbewahrt: „Departure Bay“ ist eine bittersüße Ballade, in ihrer Eleganz und subtilen Spannung auf dem Niveau der besten Joni-Mitchell-Songs. Den Eindruck, dass die Partnerschaft Diana Krall/Elvis Costello nicht nur in der Song-Schreibwerkstatt bestens funktioniert, legt ausgerechnet Kralls Fassung des von Bonnie Raitt populär gemachten Midtempo-Blues „Love Me Like A Man“ nahe: Da greift die sonst oft so Unterkühlte in die Tasten, dass die Akkorde nur so qualmen, lässt den Groove schaukeln wie einen Cadillac im nächtlichen Autokino, und singt, stöhnt, ächzt unverblümt lasziv wie noch nie.