Firewater – The Man On The Burning Tightrope

Ist Unbeständigkeit wie im Fall von Tod Ashley nun ein Fluch oder ein Segen? Mitte der Achtziger gründete er mit Jon Spencer das kurzlebige Industrial-Projekt Shithouse, klöppelte dann als singender Bassist mit Cop Shoot Cop bis in die Neunziger wuchtigen Noise-Rock und scharte mit Firewater schließlich ein Allstar-Team aus Musikern von Jesus Lizard, Elysian Fields. Laughing Hyenas und Soul Coughing um sich, mit dem er zwei sonderbare Folk-Alben einspielte, bis man ihn jüngst, auf dem famosen psychopharmacology, propere Popsongs schreiben hörte. Und jetzt bekommt man dies hier in die Hand: the man on the burning tightrope. Vorn drauf, ganz recht, ein Mann beim Drahtseilakt, im Booktet Zwergwüchsige in Affenmaskerade, ein Bär beim Stelzenlauf. Fast ahnt man es schon, bevor die Fanfaren den Liederreigen eröffnen: Nicht blof! optisch kokettieren Firewater mit der bizarren Welt, die sich vor hundertfünfzig Jahren auf einem Jahrmarkt aufgetan haben muss – faszinierend und beklemmend zugleich. „It’s such a cold day down here in hell“, schnauft Ashley im finster dräuenden „Anything At All“, und während die Instrumente immer skurriler werden, wird es auch die Musik. Hier schlingert unter Flügelhorn und Mellotron ein Leierkasten „Too Many Angels“, dort drieseln sanfte Bouzoukis auf einen weiten Streichergrund („The Song That Saved My Life“). Latin-Percussion in „Too Much“, Indie-Gitarren in „Don’t Make It Stop“, Klezmer mit Kastagnetten in „Dark Days Indeed“. dem nur noch fehlt, dass Ashley hier als geläuterter Trinker – sein Leid statt auf Englisch in Jiddisch klagt. Dafür gibt er im Titeltrack mit Ruß auf der Stimme den Zirkusdirektor, bewirbt den Song wie eine Attraktion in der Manege. Und schwindelt nicht mal: Gegen die schaurigen Vaudeville-Orgeln, die sich hernach durch den Hintergrund schleppen, wirkt „Mr. Kite’wie eine frohe Kindermelodie aus der Spieluhr. Die Ausgangsfrage hat sich indessen längst beantwortet: Tod Ashleys Unbeständigkeit ist ein verdammter Segen.