David Byrne – Grown Backwards

Eigentlich steht der 52-Jährige am Scheideweg. Und sei es nur, weil er in seiner langen Karriere alles probiert hat: innovativen New Wave, orchestrale bis exotische Soundtracks, wilzige World-Beat-Platten sowie – außerhalb der Musik – Fotoausstellungen und Gedichtbände. Die Bilanz eines erfüllten Künstlerdaseins, dem eigentlich nur ein Kapitel fehlt: die überfällige Reunion mit den übrigen Talking Heads, die nichts lieber täten, als noch einmal mit ihm auf der Bühne zu stehen. Doch dazu, das verdeutlicht Byrnes erstes Soloalbum seit dem 97er feelings, wird es so schnell nicht kommen. Zumindest nicht, solange der menschenscheue Alleskönner noch die eine oder andere zündende Idee aufweist. Etwa im Opener „Glass, Concrete, Stone“, der sich als ebenso schrullige wie verspielte Orchester-Pop-Nummer erweist: mit minimalistischer Instrumentierung aus Pauke, Xylophon, Geige und Percussions, zu der Byrne mit nasaler Stimme anspruchsvolle Prosa zitiert. Das hat Klasse und Stil. Und bei diesem Ansatz bleibt es auf den folgenden 13 Tracks, die nicht nuraus Eigenkompositionen bestehen, sondern auch aus Covers. Etwa von Lambchop „The Man Who Loved Beer“) oder klassischen Komponisten wie George Bizet LAu Fond Du Temple Saint“! und Giuseppe Verdi („Un Di Feiice, Etera“. Da schwelgt Byrne in perfektem Französisch und Italienisch über einem dichten Klangteppich aus Harfen und Streichern. Nur, um im nächsten Stück schon wieder ganz woanders zu sein. Nämlich bei einem bissigen Kommentarzum Präsidentschaftswahlkampf 2004, bei dem alles zählt, nur nicht die Stimme des Volkes. Merke: Was Byrne sagt und singt, ist ebenso unkonventionell wie das gesamte Album. Er beherrscht die hohe Kunst des charmanten Polarisierens, und genau das macht grown backwards so spannend.