Grant Lee Phillips – Virginia Creeper

Was wäre aus Grant LeeBuffalo geworden, hätte R.E.M.-Sänger Michael Stipe nicht diesen verhängnisvollen Satz von der „persönlichen Lieblingsgruppe“ abgelassen? Wäre Grant Lee Phillips noch Sänger und Gitarrist jener tollen, kleinen Band, die Anfang der neunziger Jahre tiefromantischen Folk-Rock intonierte? Hätte das Gespann womöglich mehr als drei Alben gemacht? Und hätte es all die hohen Erwartungen Idie sich kommerziell nie erfüllten] nie gegeben? Fragen, die nur einer beantworten kann: der Künstler selbst. Und der will heute das ist Antwort genugl nichts mehr mit der Vergangenheit zu tun haben. Zwar sieht er sich immer noch als Storyteller, der in seinen philosophischen Texten über die Wunder der Liebe und des Lebens sinniert, der spannende Kurzgeschichten über Tragödien und Triumphe schreibt, der das Lächeln der Mona Lisa ebenso thematisiert wie die Wild-West-Legende von „Calamity Jane “ oder mystische Ladys wie „Susannah Little“. Und der dabei ganz anders klingt, als man es von ihm gewohnt ist. Denn Phillips, der seit vier Jahren und zwei Alben auf Solopfaden wandelt, ist nicht länger der melodramatische Folkie, der sich in bester Bono-Manier die Seele aus dem Leib schmachtet, er ist vielmehr auf dem Roots-Trip, auf der Suche nach dem wahren Americana – dem Ur-Folk, -Blues und -Country. Dazu hat es ihn vom liberalen San Francisco ins konservative Nashville verschlagen, wo er mit einer Reihe von Studio-Cracks um die Wette jammt, einen ebenso charmanten wie unauffälligen Rhythmusteppich kreiert und sich an der Kunst der stillen Töne und geflügelten Worte versucht. Genau das. was zuvor schon Ryan Adams (mit Whiskeytown] und Uncle Tupelo praktizierten – nur in der Umkehrfunktion. Aberwahrscheinlich macht genau das den Charme dieses kauzigen Tonträgers aus-er schwimmt gegen den Strom. Und das kann letztlich nur in einer Coverversion von Gram Parsons „Hickory Wind“ gipfeln. Ein würdiger Abschluss des Albums. Was wohl Michael Stipe dazu sagt?