Explosiv! Helden, Hit & Hypes

Als die Brüder Sam, Harry und Jack Warner in den 20ern die Lizenz für das Vitaphon-Verfahren erwarben und damit die Grundlage für den Tonfilm legten, gab es keine Plattenindustrie. Musik als Massenkonsumartikel spukte als Idee allenfalls durch die Köpfe einiger Spinner -Showbiz bedeutete Film; Hollywood war noch ein Kaff mit Bretterbuden, in denen windige Figuren ebensolche Geschäfte machten. Der erste Versuch der Warners, ihre Vitaphon-Dollars durch den Erwerb des Brunswick-Plattenlabels zu mehren, endete 1932 mit einem Fiasko und dem Schwur, nie wieder einen Fuffi ins Musikbusiness zu setzen. 26 Jahre später brach Jack den Vorsatz und beauftragte Jim Conkling, Ex-Capitol- und Columbia-Manager, so etwas wie ein Plattenlabel auf die Beine zu stellen. Ami September 1958 erschien die erste Warner-Bros.-Platte, „Star Spangled Banner“. Bis sich das zarte Pflänzchen halbwegs konsolidierte und mit Frank Sinatras Reprise Records das erste Label übernahm, sollten noch einige turbulente Jahre vergehen – Ouvertüre zu einer der erstaunlichsten Firmengeschichten des letzten Jahrhunderts. Heute, 45 Jahre später, war die Musiksparte des Time Warner Konzerns einem Käufer 2,6 Milliarden Dollar wert. Stan Cornyn hat als Autor der epischen Saga den unschlagbaren Vorteil, dass er vom ersten Tag an dabei war. Im Laufe seiner 34 Warner-Jahre brachte er’s bis zum Vizepräsidenten. Er kannte sie alle, die Mo Austins, David Geffens, Lenny Waronkers und Ed Wests, die mit Gespür und oft unorthodoxen Mitteln Künstler wie Joni Mitchell. Eagles, Madonna, Grateful Dead und Red Hot Chili Peppers groß machten und mit gewagten, cleveren, manchmal auch dummen Transaktionen Industriegeschichte schrieben, die Traditionslabels Elektra, Atlantic und Asylum unters Warner-Dach holten, sich vom Beerdigungsunternehmer Kinney kaufen ließen und am Ende, nach der Fusion mit Time, ihre Elefantenhochzeit mit AOL feierten. Da war Cornyn nicht mehrdabei; die Download- und Copy-Krise zog am Ende seiner Karriere erst am Horizont auf. Trotzdem ist das Buch hochaktuell. Nicht nurwegen der unglaublichen Geschichten um unsere liebsten Helden, sondern auch weil sich Cornyn Anfang der 80er Jahre schon mit einer ähnlichen Krise auseinandersetzen musste. Deshalb sollte explosiv; in den Chefetagen der maroden Plattenindustrie zur Pflichtlektüre ausliegen; hier lassen sich fundamentale Erkenntnisse gewinnen, zum Beispiel diese: Die Musik selbst ist das einzig Unverzichtbare in dieser Branche – alles andere, auch die Köpfe, sind Variablen.