Now It’s Overshead – Now It’s Overshead

Der Opener mit seinem schmeichelnden, aber etwas biederen Country-Pop-Refrain führt einen auf die ganz falsche Fährte: Das flache Land der allzu blumigen Harmonien betreten Now It’s Overhead nur sehr selten. Überhaupt sind die Momente, in denen das Projekt aus Georgia plakativ zu Werke geht, erfreulich rar. Und wenn es denn die Dramaturgie eines Songs unbedingt erfordert, wird zumindest postwendend Kontrastmittel gespritzt. Pop süß-sauer, wenn man so will, aber ohne Geschmacksverstärker und künstliche Süßstoffe.

Wobei Artifizielles durchaus eine Rolle spielt, allerdings im strikt positiven Sinne: Projektleiter Andy LeMaster, der nahezu alle Instrumente selber spielt, versteht sich als Studio-Nerd, der mit nie nachlassender Begeisterung an eigentümlichen, aber angenehm dezenten Sounds und Samples bastelt, die eben nicht zur Serienausstattung handelsüblicher Synthies gehören. Die Technik individueller Klanggestaltung beherrscht er also, der Herr LeMaster, doch kann man daran auch grandios scheitern. Wenn Sounds Selbstzweck sind, ohne eigentliche Funktion außer dem Transportieren von Originalität, bleibt die Mogelpackung leider leer. Andy LeMaster mogelt nicht, er weiß, wie man Songs schreibt, die sich weder zu langsam erschließen lassen noch zu schnell abnutzen. Der Großteil seiner im Prinzip Folkpop-nahen Stücke wirkt wie eine zusammengedrückte Feder, die jederzeit losschnellen kann-, einzig: Sie schnellt nicht. Was die Spannung immer weiter steigert, und zusammen mit den bisweilen unorthodoxen Beats und unkonventionellen Sounds dem Album einen eigentümlich obsessiven Charakter verleiht.

Irgendwas ist nicht in Ordnung mit Andy LeMaster. Es ist sicher nichts furchtbar Ernstes, aber wer ein Konzeptalbum mit neun Songs über den schlussendlich tragischen Verlauf einer Beziehung inszeniert, wird wohl so seine Gründe dafür haben, now its overhead ist allerdings kein nebelgraues Frust-Manifest, keine der Platten, die einem Kritiker gemeinhin für den Herbst ans Herz legen. Songs wie „Hold Your Spin ‚ und „6th Grade Roller“ sind durchaus fordernder Psychedelic-Pop, inklusive rückwärts laufender Tonspuren und unheilvoll dräuender Keyboards. „Who’s Jon“ glänzt mit einem monochromen Gitarrenriff aus dem Folkrock-Labor, während „Wonderful Scar“ nahezu sämtliche Zutaten des Albums in einem einzigen Song vereint: Amerikanisches Folk-Songwriting, kombiniert mit artfremder Rhythmik – in diesem Fall einer Militärkapelle entlehnt – und einem Synthie-Sound, den wohl nur wenige Hersteller solcher Instrumente mit einer eigenen Preset-Taste adeln.Musik sagt mehr als tausend Worte. Selbst wenn LeMaster dann doch mal ins Melancholische abdriftet, schwingt immer eine Lakonie mit, die von heimlichem Optimismus kündet. Mit verkünden durften übrigens Freunde und Kollegen aus Conor Obersts Saddle-Creek-Familie: Zu den festen Bandmitgliedern zählen Orenda Fink und Maria Taylor, ansonsten unterwegs unter dem Namen Azure Ray, sowie Schlagzeuger Clay Leverett. Mehr oder minder stark an now its overhead beteiligt waren zudem Mitglieder von R.E.M.. Seaworthy, Amy Ray. Japancakes und die Glands. So groß ist Athens, Georgia, eben nicht. Man kennt sich, und schaut schon mal auf einen Gitarren-Take herein.