Die Geburt eines Genres :: The Byrds – Sweetheart Of The Rodeo – Deluxe Edition (Columbia Legacy/Sony Music)
Anfang 1968 konnte die Lage der wichtigsten amerikanischen Band des Beat-Booms nicht prekärer sein: Nach fünf erfolgreichen Alben mit reizvollen experimentellen Ausflügen in Folk, Rock, Pop, Country und sogar fernöstliche Gefilde standen The Byrds nicht nur kurz vor dem künstlerischen, sondern auch vor dem personellen Kollaps. Drei von den fünf Originalmitgliedern bleiben dabei auf der Strecke – der internationale Ruhm der vergangenen drei Jahre forderte seinen Tribut.
Gruppen-Oberhaupt Roger McGuinn, einst im legendären New Yorker Hitschreiber-Hauptquartier Brill Building in Lohn und Brot, und der mittlerweile als Songwriter und Sänger ebenfalls freigeschwommene Bassist Chris Hillman, ein Mann mit beeindruckender Bluegrass-Vergangenheit, planten mangels Personalmasse eine üppige Retrospektive der uramerikanischen Musiktradition mit enzyklopädischem Ausmaß. Das gerade in Mode gekommene Format Doppel-Album schien dafür genau das geeignete Medium zu sein. Verzweifelt engagierte der bislang so zurückhaltende Hillman seinen Cousin Kevin Kelley als Schlagzeuger, als Pianist gesellte sich der befreundete Gram Parsons dazu. Parsons war im Jahr zuvor als Mitglied der International Submarine Band am ersten echten Country-Rock-Album beteiligt. Doch aus dem geplanten Mammutprojekt wurde nichts. Stattdessen verbündete sich der von Haus aus betuchte Hippie-Millionär Parsons mit Hillman, beide überzeugten Roger McGuinn davon, dass die Byrds nach diversen zaghaften Annäherungen im Country-Genre endlich Farbe bekennen sollten.
Angespornt durch das gerade erschienene countryeske Dylan-Werk John Wesley Harding, wagte das frisch reformierte Quartett den Schritt ins Ungewisse. Zu den teils in Nashville, teils in Los Angeles unter Produzent Gary Ushers Ägide mit hochkarätigen Countrymusikern, darunter der spätere Byrd Clarence White (g), John Hartford (banjo), Earl P. Ball (p), Roy M. Huskey (bg) sowie die beiden Steel-Gitarristen Lloyd Green und Jaydee Maness, entstandenen Sessions trug Gram Parsons den Löwenanteil bei. Dummerweise vergass Parsons, der mit Rolling Stone Keith Richard innig befreundet war und damit maßgeblich den musikalischen Weg der Stones in den kommenden Jahren inspirieren sollte, seinen neuen Kollegen zu sagen, dass er vertraglich noch an die International Submarine Band und deren Label, Lee Hazlewoods LHI Records, gebunden war. Das ging der Rechtsabteilung von Columbia Records erst auf, als Sweetheart Of The Rodeo kurz vor der Veröffentlichung stand. Kommando zurück: Nahezu sämtliche Gesangsaufnahmen auf Traditionals von Woody Guthrie („Pretty Boy Floyd“), Merle Haggard („Life In Prison“), Louvin‘ Brothers („The Christian Life“), William Beils Soulklassiker „You Don’t Miss Your Water“ sowie zwei Basement Tapes-Stücke von Bob Dylan & The Band („You Ain’t Going Nowhere“, „Nothing Was Delivered“) wurden von Hillman bzw. McGuinn neu eingesungen. Erhalten blieb Parsons Gesang lediglich bei dem co-komponierten „Hickory Wind“, der Neuaufnahme eines Originals der International Submarine Band, sowie beim Les-MacDaniel-Cover „You’re Still On My Mind“.
35 Jahre nach Veröffentlichung von Sweetheart Of The Rodeo bietet die 2-CD-Deluxe-Edition eindrucksvoll auf 38 Tracks das Original-Konzept des Albums. Schon die 4-CD-Box The Byrds von 1990, speziell aber die Expanded Edition von Sweetheart Of The Rodeo machte im Rahmen der Komplett-Neuauflage des Byrds-Backkatalogs 1997 anschaulich, welch ein Juwel dem Publikum damals geflissentlich vorenthalten wurde. Während CD Nummer eins das um acht Bonustracks aufgestockte Tracklisting der Expanded Edition übernimmt, fördert Disc 2 wahre Schätze zu Tage: Neben bislang unveröffentlichten Alternativ- und Rehearsal-Versionen der Sweetheart-Sessions mit einem schlicht grandiosen Parsons als Leadsänger finden sich auch drei Singles („Sum Up Broke“, „One Day Week“, „Truck Drivin‘ Man“) sowie drei Tracks („Blue Eyes“, „Luxury Liner“, „Strong Boy‘) des Albums Safe At Home (’68) der International Submarine Band. Genre-definierende Sternstunden, die den internationalen Erfolg von späteren Country-Rock-Acts wie The Eagles, Uncle Tupelo oder Ryan Adams wegweisend vorzeichneten und einmal mehr verdeutlichen, welche Lücke der allzu frühe Drogentod Gram Parsons 1973 hinterlassen hat.
>>> http://ebni.com/byrds
Discoqrafie (Auswahl)
1965 Mr. Tambourine Man
1966 Turn Turn Turn
1966 5th Dimension
1967 Younger Than Yesterday
1967 The Notorious Byrd Brothers
1968 Sweetheart Of The Rodeo
1969 Dr. Byrds & Mr. Hyde
1970 Batlad Of Easy Rider
1970 Untitled
1971 Byrdmaniax
1972 Farther Along (alle Columbia/Sony Music)
1973 The Byrds (Elektra/Eastwest)
1990 The Byrds (4-CD-Box) (Columbia/Sony Music)
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