Chicks On Speed – 99 Cents
Vom selbst gebastelten Wander-Club „Seppi Bar“ auf die Catwalks der Welt – die Geschichte der Chicks On Speed ist seit ihren ersten Auftritten Ende der neunziger Jahre wie ein Krippenspiel aus dem Kunststudentinnen-Milieu weitergereicht worden. Disco-Trash in Papp-Kleidchen, das knallt. Ein Schelm, wer den Albumtitel 99 Cents in eine Reihe mit der letzten großen Pop-Veröffentlichung mit Preisansage im Titel stellt: Frederic Beigbeders Roman „99 Francs“ war vor zwei Jahren eine Kampfansage an den verkoksten Kapitalismus der Werbebranche und zu eben diesem Preis im Buchhandel erhältlich. Die Chicks On Speed drehen die Preisschraube auf Krusch-Laden-Niveau runter. Das ist very cheap Art hier. Der Cut-up-Charakter ihrer früheren Tracks, die sich aus Anrufbeantworterschnipseln, Interviews und bösen Beats speisten, hat auf 99 Cents zahlreichen Popvarianten Platz machen müssen. Dem Bratpfannen-Beat mit Rave-reifen Refrains, todschickem Punkrock-Gebratze und einer Coverversion des Tom-Tom-Club-Hits „Wordy Rappinghood“ including des kompletten Chicks-On-Speed-Förderkreises von Inga Humpe bis Tina Weymouth. Die schon letztes Jahr veröffentlichte Single „Fashion Rules“ mit den Karl-Lagerfeld-Coverfoto-Credits, die wie eine unheimliche Allianz aus den Au-Pairs und Rip Rig + Panic auf die Dancefloors der Welt geschossen kam, war Richtungsanzeiger für die Chicks On Speed des Jahres 2003: „We Don’t Play Guitars“ besitzt die typische Raffinesse und den Bass-Bumms des Albums. Drei Frauen und ein Minidiscplayer rocken wie eine Armada Hardrock-Gitarreros, und wer hat denn gesagt, dass hier keine Gitarren zu hören sind, nur weil hier keine Gitarren gespielt werden? In der digitalen Ursuppe lösen sich die Sounds von ihren Begriffen und swingen schon mal frei im Raum. Wie soll man das nennen, was Chicks On Speed auf „Coventry“ veranstalten: Break-Ballade, Beats On Chicks oder die besseren Everything But The Girl? Im großen, gerne ironisch gemeinten Pop-Eklektizismus begegnen these fabulous three nicht nur ihren eigenen Wurzeln und Sample-Quellen – Kiki, Melissa und Alex schaffen es, in aufeinander folgenden Songs Nico, Chumbawamba und Phil Spectors Mädchen elektronische Spiegelbilder vorzusetzen. Den „Sell-out“ haben Chicks On Speed sich jetzt auch schon ins Stammbuch geschrieben, und er klingt ganz und gar nicht unsexy: „Beute dich selbst aus, bevor andere es tun.“ Kaufen Sie dieses Album, bevor andere es tun!
VÖ: 29.9.
>>> www.chicksonspeed.com
Hörprobe unter www.musikexpress.de
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