Stipe-Visite :: R.E.M. – Fakten und Fiktionen von David Buckley (Hannibal Verlag, 360 Seiten, 25,90 €)
So profunde wie kluge und spannend zu lesende Analyse vom Leben und Schaffen der Bond aus Athens, Georgia.
Es gibt nicht viele Bands, die einem durch die Achtziger halfen, jene nicht allzu erbauliche Zeit zwischen – sagen wir – The Clash und Nirvana. Es gibt nicht viele Bands, die einen schon seit über 20 Jahren begleiten und immer noch begeistern, verblüffen, auch mal ärgern, aber selbst in ihren finstersten Momenten faszinieren können. Es gibt nicht viele Bands wie R.E.M. – so wie es nicht viele Pop-Schreiber vom Format eines David Buckley gibt. Der, Jahrgang 1965, gebürtig in Liverpool und wohnhaft in München, wo er als Dozent und Autor arbeitet, hat mit R.E.M. – Fakten und Fiktionen das bisher gewiss gelungenste Werk über Leben und Schaffen von Michael Stipe, Pete Buck, Mike Mills und Bill Berry verfasst. „Für unsere Biografie“, hat Buck mal in einem Interview gesagt, „sollte man einen Romanautor engagieren. Jemanden, der eine richtig gute Story erfindet.“ Allein: Buckley hält sich an die Realität, wartet allzeit mit feinsinnigen Analysen und durchweg plausiblen Einordnungen ins soziokulturelle Umfeld auf, betont aber, weder erhebe sein Buch Anspruch auf Vollständigkeit noch sei es eine „dieser Rockbiografien, in denen mit Triumphgeschrei Enthüllungen präsentiert werden“. Das ist eine in ihrer Bescheidenheit sehr sympathische Einlassung, die zudem den Nagel auf den Kopf trifft und die Lektüre zu einer Sache für eine durchwachte Nacht werden lässt. Denn der Mann, der schon über die Stranglers und David Bowie Profundes zu sagen hatte, schreibt seriös und spannend, verzichtet auf billige Klatschgeschichten genauso wie auf lähmende Faktenhuberei. Stattdessen ruft er in aller Ausführlichkeit (und durchaus auch in aller Widersprüchlichkeit) alte Freunde, Musiker, Produzenten und andere Weggefährten in den Zeugenstand, während von der Band selbst am häufigsten Buck und Mills zu Wort kommen. Aus jedem Satz spricht die Zuneigung des Autors zu R.E.M. und ihrer Musik – und dennoch wahrt er Distanz, beschönigt er nichts, jazzt er nicht jede Platte zum Meilenstein hoch, verschafft er auch kritischen Stimmen – etwa Paul Du Noyers Tirade gegen den „Promi-Liberalismus“ – Gehör. Vor allem aber gelingt es Buckley zu hinterfragen, zu durchleuchten,
Fragwürdiges aufzuzeigen, ohne die Magie zu zerstören, jenen geheimnisvollen Nimbus von Künstlern, die nur sich selbst und ihren Visionen verpflichtet sind. Als Zugabe gibt es am Ende dann noch ein sehr bemerkenswertes Glossar. „Hey, kids, rock’n’roll?“ Mehr, viel mehr als das.
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