Cabaret Voltaire – Methodology – The Attic Tapes

Bearbeitete Gitarren am Vorabend der elektronischen Revolution.

Flashback: Wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass 1974 das Jahr war, in dem Abba, George McCrae und Gary Glitter die Charts dominierten, dass Rock schon ziemlich schal klang, Disco aber noch nicht richtig auf die Hinterbeine gekommen war, dann müssen diese Aufnahmen hier an Totschlag gegrenzt haben. Es ist nicht bekannt, wie vielen Menschen die frühen Cabaret-Voltaire-Tracks jemals zu Gehör gekommen sind, die Attic Tapes waren in einer feindlichen Pop-Umgebung damals nicht als Zeichensatz dechiffrierbar. Die von Mute verdienstvoll aufgelegte 3-CD-Box Methodology widmet sich dem Vorabend der elektronischen Revolution, beginnend mit dem Cabaret-Voltaire-Urschrei: von der Fünf-Minuten-Paranoia „Exhaust“ über „Jet Passing Over“ (nicht mehr und nicht weniger als der Titel sagt), elektronisch bearbeitete Gitarren und Klarinetten bis zur Elektro-Heimarbeit „She’s Black Part One“ und „Fascist Police State“. Sound als radikale Standortbestimmung stand schon Pate bei den ’74er- und ’75er-Aufnahmen der britischen Electro-Pioniere, auf vielen der späteren Tracks (CD zwei und drei) ragen krude Wortfetzen und gehäckselte Gesangsparts in die Tape Loops und Samples („Do The Mussolini [Head Kick])“, „Baader Meinhof“ und das an die frühen Suicide erinnernde „Nag Nag Nag“) – Stücke, die mit neuem Equipment für die ersten Rough Trade-Alben in den späten Siebzigern noch einmal aufgenommen wurden. Mit den Industrial Discoteers der Achtziger hat das alles noch nichts zu tun. Gitarrist Richard H. Kirk, Bassist Stephen Mallinder und der große Manipulator Chris Watson spielten Dada mit der musikinteressierten Menschheit. Das im Cab-Voltaire-Design konsequent durchgestylte Booklet ist schlicht unleserlich: Silberauf Grau-Schwarz in eng bedruckten Versalien. Der Wahnsinn hat natürlich Methode.

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