Branches & Routes – A Fat Cat Compilation
Ernsthaft, schön, ausschweifend – das britische Label hat sich mit harter Arbeit am Sound nach vorn gespielt.
Bis 1997 war Fat Cat eine Art Wohnzimmer der Londoner Electro-Szene, das zunehmend von heißhungrigen Musik-Touristen aus dem restlichen Europa frequentiert wurde. Wer Aphex Twin in Regalen für obskuren Quatsch wühlen und Andrea Parker Tresenarbeit verrichten sehen wollte, war im Record Shop in Covent Garden goldrichtig. Während der tristere Teil der Techno-Szene sich in Marsch setzte, Großdemos mit Glücksgetränken zu feiern, setzten die Maniacs von Fat Cat auf harte Arbeit am Sound. Die zahlte sich innerhalb von sechs Jahren auf dem eigenen, inzwischen in Brighton beheimateten Label aus: Mit Sigur Rós, Múm, Matmos und Kid 606 sind ein paar große Fische im Bauch der dicken Katze, mit der „Split“-Serie wurde 12-Inch-Geschichte geschrieben. Grundsätzlich ist Fat Cat aber auch offen für Garage-Rock (Party Of One), letzte Mutationen von Drum’n’Bass (Com.A), den seltsamen Folk-Song (Drowsy) und das traurige Lied (Seen). Bei Branches & Routes handelt es sich nicht um die erste Label-Compilation, es ist nur die üppigste und die mit dem größten Spektrum. Vom Eröffnungstrack, David Grubbs‘ „Transom“, bis zum finalen „Minéral“ von Sylvain Chauveau vergehen 125 Minuten, die mit dem Prädikat „nachhaltig“ gewürdigt werden sollen. Der Moment, als Björk noch einmal wunderlich werden durfte („All Is Full Of Love“ mit Funkstörung). Der beste Zwei-Worte-Song („Baddie Who?“ von den Giddy Motors). Das Desaster (Xinlisupremes „Murder License“). Ein paar unveröffentlichte Tracks sind auch dabei, aber das ist nebensächlich. Fat Cat hat die Sounds gesammelt, aus denen die Sinfonien des neuen Jahrtausends gebaut werden. Hier konkurrieren lauter ernsthafte, schöne, ausschweifende Architekturmodelle miteinander.
>>> www.fat-cat.co.uk
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