Showtime

Der viel beschäftigte Rockfotograf Gullick mit seiner Best-of-90s-Auswahl.

Der doof beliebige, zudem irreführende Titel (nein, dies ist keine Kollektion von Konzertfotos) und das scheinbar 90 Sekunden vor Drucklage noch geschwind zusammengekloppte Cover-Design verlocken nicht eben zur Annäherung an diesen Fotoband. Wessen Auge auch bei der Außengestaltung des Buches am Werk war: Steve Gullick, der hier ein repräsentatives Best Of seiner Arbeit aus den 90er Jahren ausbreitet, hat gottlob ein besseres. Gullick, tätig für Magazine wie NME, Uncut und Raygun, hat in diesen zehn Jahren so ziemlich alles fotografiert, was in einem weiteren (Alternative-)Rock-Kontext Töne von sich gab. Und das – wie diese sehr heterogene Auswahl zeigt – weniger einer eigenen charakteristischen Handschrift, sondern einem stilistisch sehr breitbandigen Ansatz folgend. Auf diesen 160 Seiten gibt’s alles: von stark stilisierten Inszenierungen (der feuerrot bemalte Henry Rollins in der Wüste) über klassische Gruppenfotos und Portraits – im Studio, in freier Wildbahn, mal bunt, mal monochrom -, grobkörnig-schwarzweiße Man-erkennt-nichts-aber-es-sieht-toll-aus-Corbijnismen, In-time-backstage- und Tourbus-an-Stuhllehnen-vorbei-Schüsse (Thom Yorke, versunken in Schatten) bis hin zu brodelnden, bewegungsunscharfen Live-Dramen (Damon Albarn fliegt, Eddie Vedder liegt auf der Bühne rum). Das ist nicht alles immer strikt originell, aber doch meist toll bis einsichtsreich anzusehen – und an einigen Bildern kann man auch wirklich hängen bleiben (der vampirisch überbelichtete Jon Spencer, Kurt Cobain kontemplativ in der Garderobe, Mark Lanegans Blick, Blur in der Blüte ihrer besten Tage, die Flaming Lips mit ihrem Megafon). Am besten funktioniert Showtime als Fotoalbum des 90er-Rock – natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit -, in dem man neben den obligatorischen U2s, Manics, Prodigys und Nick Caves auch mal Leute zu Gesicht bekommt, die in den gängigen Rockfoto-Hochglanz-Portfolios selten bis nie ihre Nasen reinhalten. Kurt „Lambchop“ Wagner steht vor seinem Haus in Nashville, Bill Callahan (Smog) steckt sein Gesicht in die Wand, David Holmes rennt durch den Verkehr von Manhattan. Und wenn Sie schon immer wissen wollten, wie Six By Seven aussehen: nicht aufregend, ehrlich gesagt, aber schön, dass man sich mal gesehen hat.

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