The Who – Who’s Next – Deluxe Edition :: Grandios gescheitert
Es kam anders als geplant, und doch zählt Who’s Next von 1971 zu den Ruhmestaten der Rockära. Das ursprüngliche Multimedia-Konzept hierzu, „Lifehouse“ (siehe Kasten), war naiv und überambitioniert und scheiterte folglich. Als einfaches Studioalbum indes geriet Whos Next zum künstlerischen Triumph. Bereits 1995 wurde der Klassiker federführend von Jon Astley remixt – mit eindrucksvollem und kaum mehr zu toppendem hifidelem Gewinn. Und auch editorisch blieben bei der 95er-Version des Albums kaum Wünsche offen, brachte die CD doch zusätzlich zu den originalen Tracks jede Menge Songs, die im Umfeld des Albums eine Rolle gespielt hatten (u.a. „Pure And Easy“, „Naked Eye“, „Water“), sowie eine interessante Alternativ-Version von „Behind Blue Eyes“. Die nun vorliegende Deluxe-Edition, ein 2-CD-Digipack im Plastikschuber mit 28-seitigem Booklet, indes versucht, diese so wichtige Phase in der Who-Karriere und das „Lifehouse“-Projekt umfassend zu dokumentieren. Weshalb auf CD 2 insgesamt 15 Songs aus einem der legendären Konzerte im Londoner Young Vic Theatre zu hören sind; neben dem Klassiker „My Generation“ wurden am 26. April ’71 einige Live-Favoriten jener Periode (Mose Allisons „Young Man Blues“, Bo Diddleys „Road Runner“) und ansonsten ausschließlich das damals nagelneue, zum Teil noch nicht endgültig geformte „Lifehouse“-Material gespielt. Wir hören eine überaus konzentriert agierende Band: Daltrey befindet sich auf der Höhe seiner Möglichkeiten, Townshend hat sein einzigartiges Gitarrenspiel zur vollen Blüte entwickelt, Entwistle nutzt den instrumentalen Freiraum im Bandgefüge zu ebenso filigranen wie kraftvollen Ausflügen in Bereiche jenseits simpler Bass-Grundtöne, und Keith Moon spielt effizient und doch explosiv, seine Musiker gleichermaßen sensibel begleitend wie dynamisch treibend. Erstaunlich ist auch die durchgehend hohe Qualität der seinerzeit mit dem Rolling Stones Mobile gemachten Aufnahmen, die sich von der ein Jahr zuvor bei Live At Leeds erreichten kaum unterscheidet. Lustiges Detail: Der etwas fahrige Vortrag von „Road Runner“ erklärt sich aus dem Umstand, dass sich bei diesem Song ein paar Typen im Publikum an Roger Daltreys Ex-Freundin Cleo ranmachten, was den Sänger auf die Palme brachte – er war offenbar drauf und dran, das Problem vor der Bühne eigenhändig zu regeln.
Das Rolling Stones Mobile, das übrigens wenige Tage später Richtung Südfrankreich bugsiert wurde, wo es seinen Besitzern bei den Aufnahmen zu Exile On Main St. gute Dienste leistete, befand sich im April 71 auf Mick Jaggers Anwesen Stargroves, wo The Who diverse Songs aufnahmen. Allerdings verrät Townshend in den Liner Notes, dass es der Band dort an der nötigen Disziplin mangelte, weshalb das eigentliche Album erst zwei Monate später unter Aufsicht von Glyn Johns in den Londoner Olympic Studios entstand. Lediglich die in Stargroves fabrizierte Version von „Won’t Get Fooled Again“ schaffte es auf Who’s Next (und wurde, stark gekürzt, als Single veröffentlicht). By the way: Hier gibt’s, im Unterschied zum 1995er-Reissue von Whos Next, erstmals „Won’t Get Fooled Again“ in der nicht übersteuerten, remixten Version zu hören, die bislang nur auf dem Best Of-Album von 1996 zu finden war (Astley standen 1995 die originalen Multitrackbänder für den Remix nicht rechtzeitig zur Verfügung). Ansonsten wurden für diese Deluxe-Edition die Remasters der 1995er-Ausgabe verwendet, die, wie gesagt, keine Wünsche offen lassen. Für die Deluxe Edition wurden die 43:31 Minuten Spielzeit des Originalalbums mit diversen Alternative Takes sowie der Ur-Version von „Pure And Easy“, einem der zentralen „Lifehouse“-Songs, und dem Motown-Oldie „Baby Don’t You Do It“ ergänzt, Aufnahmen, die samt und sonders im Winter 1971 im Record Plant, New York, entstanden, teilweise in eklatant unterschiedlichen Versionen zu den letztlich für das Album verwendeten. Für das Booklet der Deluxe Edition wurden sowohl Pete Townshends humorige Anmerkungen wie auch die erschöpfenden Liner Notes von John Atkins, beides aus der 1995er-Ausgabe, aktualisiert. Bleibt unterm Strich anzumerken, dass damit wohl alles zum Thema Who’s Next/“Lifehouse“ gesagt ist. Wer trotzdem noch nicht genug von dieser Sternstunde der Rockgeschichte hat, dem seien das auf Pete Townshends Website www. eelpie.com exklusiv erhältliche 6-CD-Set The Lifehouse Chronicles sowie die kürzlich veröffentlichte DVD „Music From Lifehouse“ ans Herz gelegt.
www.thewho.net www.eelpie.com
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