Human League – Reproduction/Travelogue/Dare/Love And Dancing :: Kosmische Disco
Blubber. Zisch. Kleek. Piep. Klonk …… listen to the voice of Buddah…!“ Willkommen in der Klangwelt von The Human League. Den Wegbereitern von Minimal Electronic und Synthie-Pop wird mit vier digital remasterten Alben Tribut gezollt. Im kollektiven Gehör blieben Human League hauptsächlich wegen griffiger Synthie-Pop-Gassenhauer hängen. Die Ursprünge der „menschlichen Liga“ klingen aber, wenn auch für das ungeschulte Ohr gewöhnungsbedürftig. wesentlich aufregender und faszinierender als die späteren Bestseller. Allein der triumphale Opener „Almost Medieval“ des Debüts Reproduction(5) von 1979 mit seiner eigenwillig pulsierenden Jahrmarktatmosphäre lässt die Herzen von Elektronic-Aficionados höher schlagen. Das nach mittelalterlichem Mummenschanz tönende Fünf-Minuten-Opus zeichnet signifikant den gesamten weiteren Stimmungsverlauf des Erstlings: Das düstere, als B-Seite von „Being Boiled“ erschienene „Circus Of Death“ avancierte ebenso zum Clubhit wie „The Path Of Last Resistance“, das wütende „Blind Youth“ und die zeitlupenhafte Coverversion des Righteous Brothers-/Phil Spector-Evergreens „You’ve Lost That Loving Feeling“. Zwischen weiteren experimentellen Stimmungsbildern wie „The Word Before The Last“, „Austerity/Girl One“ und „Zero As A Limit“ finden sich mit der dritten Single „Empire State Human“ auch schon poppigere, den Weg in die Zukunft der Band weisende Klänge. Zusätzlich gibt es acht Tracks, die noch im Vorfeld der Albenproduktion entstanden sind – die B-Seite „Introducing“, die komplette experimentelle EP „The Dignity Of Labour“ sowie die „Fast Versions“ von „Being Boiled“ und „Circus Of Death“.
Nur ein knappes halbes Jahr später, im Mai 1980, folgte der Zweitling Travelogue (4) der die internen Spannungen des Kollektivs nicht im Geringsten erahnen ließ. Doch zum Erstaunen aller und im Gegensatz zum Vorgänger platzierte sich das unkonventionelle Reisetagebuch mit seinen unterkühlten Disharmonien und den eindringlichen Sequenzer-Passagen in Stücken wie „The Black Hit Of Space“, „Life Kills“, „Toyota City“ und „The Touchables“ auf Rang 16 der britischen Albumcharts. Wenige Monate zuvor feierten die frisch gebackenen Stars der Elektronikszene mit einer weiteren EP, die den launigen Titel „Holiday ’80“ trug und Interpretationen von Gary Glitters „Rock’n’Roll“, Iggy Pops „Nightclubbing“ sowie das Instrumental „Dancevision“ enthielt, ihren ersten Chartserfolq auf Position 56. Dieses Medley findet sich ebenso wie diverse weitere Singles (u.a. „Marianne“) aus gleicher Periode als Bonus auf der CD. Bei der Archivsichtung wurden das lang verschollene, unter dem Pseudonym The Men 1979 erschienene Singledebüt „I Don’t Depend On You/Cruel“ sowie die wesentlich kommerziellere, schon in der Besetzung mit Jo Catherall und Susanne Sulley eingespielte Nachfolge-Single „Boys And Girls/Tom Baker“ zutage gefördert. Bei allem Experimentierwillen machen Human League aber auch klar, wo ihre Wurzeln liegen: im Glam-Rock. der eine Dekade zuvor regiert hatte. Das lässt sich nicht nur an der neu eingespielten Version von „Being Boiled“, einer Hommage an Gary Glitter, und „Only After Dark“, einem relativ unbekannten Song aus dem Repertoire von Ex-Bowie-Sidekick Mick Ronson, festmachen, sondern auch am mittlerweile glamourösen Image des Quartetts – der internationale Durchbruch ließ denn auch nicht mehr lange auf sich warten.
Kaum jemand erinnert sich daran, dass das in fast komplett neuer Besetzung eingespielte dritte Werk mit dem trefflichen Titel Dare (5) The Human League zumindest kurzfristig den Ruf bescherte, die beste Pop-Band der Welt zu sein. Nachdem Weggang des Songwritergespanns Marsh/Ware – der künstlerische Supergau – rechneten weder Fans noch Kritiker Phil Oakey und Adrian Philip Wright eine echte Chance aus. Selbst allzu optimistische Gemüter hätten der Rumpfband nicht zugetraut, dass das fast aller Sperrigkeit und Dissonanzen beraubte Klangkonzept im Winter 1981/82 beiderseits des Atlantiks zünden würde. Doch süßer sollten die Kassen nie mehr klingeln, auch dank der dritten Single „Don’t You Want Me“. Dare ist ein vollelektronisches Album, bei dem jeder einzelne Song Ohrwurmqualität besitzt.
Nur als reines Sammelobjekt taugt hingegen der im Erfolgsjahr 1982 noch schnell nachgelegte, von Producer Martin Rushent aufbereitete Instrumental-Remix Love And Dancing (2) er enthielt im Prinzip sämtliche Songs von Dare minus der Tracks „Get Carter“ und „Darkness“. Die Möchtegern-Tanzmucke des Albums darf allerdings unter der Rubrik „unschuldige Jugendsünden wider besseren Wissens“ verbucht werden.
www.blindyouth.co.uk (1978-80) www.league-online.com (1980 – heute)
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