The Folk Implosion – The New Folk Implosion :: Die Platte des Monats

Auf- und abtauchen, ein paar Jahre mit der neuen Platte warten, im Mainstream charten, dem Untergrund böse Fratzen schlagen, eine neue Band unter altem Namen gründen: die Odyssee des Lou Barlow unter so lautmalerischen Logos wie Sebadoh, Sentridoh und (jetzt mal wieder) Folk Implosion ist auch nach 20 Alben noch nicht abgeschlossen. Wohin also des Wegs, junge, alte Indierock-Ikone? Mit Drummer Russ Pollard und Gitarrist Imaad Wasif hat Lou Barlow The Folk Implosion nach einer Auszeit wieder ins Leben gerufen – zuerst als Tour-Support für die Melvins. Dann entstand dieses Album, das einen deutlichen Sicherheitsabstand zum aktuellen Rock-Hype hält. Hier sind Männer am Werk, die die ganze Scheiße schon mitgemacht haben, Dinosaur Jr, ihr erinnert euch. Geschichten des Siegens und Scheiterns. Folk Implosion lassen ihre Songs zwischen Melancholie (Barlows Stimme) und größeren Eruptionen aus der Stromgitarrenfraktion frei flottieren. In einer besseren als dieser Welt würden sie nochmal eben die Charts klarmachen wie 1995 mit der Single „Natural One“ vom Soundtrack zum Film „Kids“. In dieser Welt aber spielen sie lieber den klassischen Midtempo-Song, den die Eagles nie geschrieben haben. „Easy“ heißt der.

Es gibt ein gutes Gefühl, dass Lou Barlow Songs wie Kamellen unters Volk befördert, man braucht nur die Hände aufzuhalten: Hey, wir leben im Überfluss, wir haben Melodien für ein Dutzend Hits, aber wir wollen doch lieber unter uns bleiben. Nicht vergessen: Wir könnten auch ganz anders. Im Konjunktiv gewinnt das Leben erst wahre Tiefe, in den Träumen und Kontemplationen. Ein schöner Kniff ist das, den Onkel Lou sich da ausgedacht hat.

Er beschreibt eigentlich schon, was in den neun Beiträgen auf The New Folk Implosion passiert: Songs, die nach vorne gehen, innehalten, kurzzeitig explodieren, tief in den Gedanken und Ängsten hängen und sich auch schon mal negieren.

Aber sie schillern allesamt.

Betriebstemperatur erreicht die Band bereits mit dem Eröffnungstrack, für „Fuse“ borgten Folk Implosion sich ein paar Brandbomben aus der Asservatenkammer des Neil Young. „Brand Of Skin“ hat einen wunderbar ausgeschlafenen Groove, über den Barlow seine warme Stimme wie eine Heizdecke legt, hier hast du meine letzte Textzeile, sagt sie nicht alles: „Hormony’s gone, the rhythm remains“. „Pearl“ kommt aus dem Bauch der akustischen Gitarre gekrabbelt, „Coral“ ist notgestopft wie eine alte Socke aus dem Kleiderschrank im Kinderzimmer. Man muss ja nicht immer alles neu machen. Bei Sebadoh hatte Barlow am Anfang ausprobiert, was passiert, wenn jeder in der Band jedes Instrument spielt und Songs brutalstmöglich unterarrangiert werden. Später erfand er ganz nebenbei die ästhetische Grundposition einer Generation, die gar keine war, aber bald X hieß. Mehrere Veröffentlichungen (die „Loser“-Cassette, die „Losercore“-Single, die „Winning Losers“-EP) nahmen jenen Menschenschlag vorweg, mit dem Beck ein paar Atemzüge später die Image-Industrie der neunziger Jahre so vorteilhaft fütterte: den „Loser“, alsdann herzallerliebstes Knuddeltier ganzer Mädchenklassen.

Die neuen Folk Implosion ohne Longtime-Kumpel John Davis, dem Barlow nachsagt, dass er sich nie richtig darauf eingelassen habe, ein Musiker mit ganzem Herzen zu sein, sind gar nicht so anders als die alten. Sie besitzen jetzt nur die Gelassenheit von erklärten Indie-Helden, die nie so groß werden wollten, dass sie den Blick für sich selbst verlieren. „Tell me what the fuck is wrong with me?“, singt Barlow in einem Song, und er wird wissen, dass man dabei ein ziemlich gutes Gefühl haben kann. www.folkimplosion.com

Musikexpress-Redakteure über die Platte des Monats:

Immer wenn man meint, der Indie-Rock wäre gerade den endgültigen Tod gestorben, kommt Lou Barlow vorbei und bringt „eine dieser S-o-n-g-Platten mit, die man gleich furchtbar lieb hat und nie mehr hergeben will.

Endgültiger Tod? Der Indie-Rock ? Keep your ear to the ground, kann ich da nur sagen. Schöne Platte hier, aber oft auch ein bisschen kühl. Der beste Folk Implosion Song heißt „One Part Lullaby“ und war leider schon auf dem letzten Album.

Also Koch, der Indie-Rock ist ja nun gottlob so was von nicht tot. Aber Moment: Wenn ich nicht total auf dem Holzweg bin, dann ist der beste Folk Implosion-Song doch „Creature Of Salt“ und – tada! einwandfrei hier drauf. Und der schönste, „Pearl“, doch auch. Wo ist also das Problem ?