Populärmusik aus Vittula von Mikael Niemi

Charmant: ein Roman darüber, wie der Rock’n’Roll in die Tundra kommt.

Es ist nicht der Arsch der Welt, wo unsere Romanhelden aufwachsen. Aber zumindest kann man ihn von dort aus sehen. Pajala heißt das Kaff, weit oben im nördlichen Schweden, unweit der 1 finnischen Grenze. Tundra nennt man diese Gegend. Oder auch den subarktischen Wodkagürtel. Dort ist man entweder fundamentalchristlicher Abstinenzler oder Vollzeitalkoholiker, aber auf jeden Fall arbeitet man im Wald. Und wenn der Selbstgebrannte mal zur Neige geht, dann kann man sich immer noch eine Mixtur aus Spiritus und Weizenmehl ins Gesicht schütten, bis die letzten Hirnzellen kapitulieren. Ein verschrobener Menschenschlag wohnt dort oben, dem die überschäumende Geschwätzigkeit und Kontaktfreude des gemeinen Südschweden mithin suspekt ist. Doch auch dorthin bahnt sich der Rock’n’Roll seinen Weg, und zwar in Form einer Beatles-Single, die ein spendabler amerikanischer Cousin quasi als Duftmarke der großen weiten Welt hinterlässt: die Saat der Populärmusik aus Vittula. Unsere Helden sind angefixt, denn „wenn man erst einmal die Kraft der Musik entdeckt hat, gibt es kein Zurück. Das ist wie das erste Mal wichsen.“ Das Ergebnis ist purer Punk, allerdings zu einem Zeitpunkt, da Johnny Rotten im fernen England noch seine Grundschullehrer nervt. Derb ist Mikael Niemis Populärmusik aus Vittula, aber auch zärtlich, sentimental, poetisch, witzig und bisweilen sogar reichlich surreal – das ideale Drehbuch also für Aki Kaurismäki. Am besten ist Niemi immer dann, wenn er lakonisch das nordmännliche Barbarentum seziert, einen Kulturraum, indem Männer bereits als schwul gelten, wenn sie ihren Frauen beim Gardinenaufhängen helfen. Kein sehr freundliches Umfeld für angehende Populärmusiker, aber Trost spenden Hochprozentiges, einsame Damen und nicht zuletzt die guten Freunde. Denn das ist es, was dieser schwedisch-ländliche Nick Hornby abgeliefert hat: einen Roman über die Freundschaft. www.btb-verlag de