Soulwax – 2 Many DJ s :: Die Platte des Monats

Bastard-Pop: Die Beute der so genannten Piraterie geht in illegalen 7-lnch-Kleinstauflagen unter Londoner Ladentheken in fahrig zitternde Hände über, als das heißeste Ding der Saison an den um Trends bettelnden Plattenfirmen wohl aber doch vorbei Isie sind zu langsam und zu legal) und spätestens im Herbst schon als absurde Laune der Popkultur in die Annalen ein. Der wohlweislich schimpfbenamte „Bastard-Pop “ (gerne auch „Mash-Up „, „Bootlegs“ oder „DIY-Remix“ genannt) funktioniert so simpel, dass ihm keiner auskommt: Ein respektloser Anonymus nimmt zwei oder mehr Hits und fügt sie zusammen, legt Instrumentalpart über A-cappella-Mix, passt das Tempo an, cuttet die überstehenden Ränder – fertig ist der Pop-Bastard. Die prallsten Früchte aus den Gärten der mäßig amüsierten, aber zurückhaltend agierenden Unterhaltungsindustrie (wieso auch klagen, es gibt im „Bastard-Pop“ ja sowieso nichts zu holen?] klaut der Setzkasten-Produzent möglichst quer durch’s Gemüsebeet: Dexy’s Midnight Runners versus Public Enemy, Missy Elliott versus Nirvana, Human League versus TLC – so lauten nur einige der populärsten Duelle, die im Internet eifrig getauscht werden.

Und das geht alles zusammen. Die Popmusik ist ein einfältiges Kind mit beschränkten Möglichkeiten – da hat ein jeder Refrain, jeder Groove, jede Harmoniefolge genügend Lego-Noppen zum Zusammenstecken. Den Rest erledigt dann der Heimcomputer und im besseren Fall ein Gefühl für Witz, Kontext und Wirkung seitens des Pop-Piraten. Angesichts immer plumperer Top-Ten-Coverversionen mag man die Perversität „Bastard-Pop“ sogar als befreiende Neuerung begrüßen. Klar dürfte aber auch sein: In ein paar Monaten wird sich einem der Magen schon beim Gedanken daran umdrehen.

Die belgischen Brüder David und Stephen Dewaele wird das allerdings kalt lassen. Sie haben immer noch ihre achtungserfotgreiche Indiekapelle Soulwax in der Hinterhand – mit 2 MANY DJ’S – AS HEARD ON RADIO SOULWAX PT. 2 nun aber eben auch den ersten (hoch offiziellen] Longplayer des Genres auf Zeit in der Ausgestreckten. Und was für einen! Ein Album als Kunststück der hauseigenen Rechtsabteilung: 45 verschiedene Samples (von den Basement Jaxx über Nena bis hin zu den Cramps und Sly & The Family Stone) galt es hierfür zu klären, sich dabei den Mund fusselig zu argumentieren, verwucherte Urheberrechtsverhältnisse offen zu legen (mehr dazu ist auf der Solwax-Homepage zu lesen]. Ein Album als Kunststück zweier über den Trend hinaus erfahrener Eklektiker: The Flying Dewaele Brothers, so ihr DJ-Team-Kampfname, zeigen weit mehr als ein paar schrille, auf Exotik und Gags bedachte Quickies nach grober Zwangsverkupplung.

Naturlich machen uns zuerst auch hier die abwegigsten Paarungen den großen Oh-Mund: Salt n’Pepa brüllen ihr „Push it!“ in ein Stooges-Riff; Dolly Parton geht beim Weltraumspaziergang mit Royksopp verloren, und dann noch dieser unglaubliche Mix aus Destinys Childs „Independent Women Part 1“ und „Dreadlock Holiday“ von 1OCC, der jetzt schon zu den „Klassikern“ des halbseidenen Handwerks gehört. Die Klasse von 2 MANY DJ’S liegt jedoch nur bedingt in den oberflächlichen Kicks. Dieser trickreich zusammengebastelte DJ-Mix verfolgt – auf dem Weg von Emerson, Lake & Palmer und Big Beats über die Residents und Velvet Underground bis hin zu New Order an der Seite charmanter Elektronikpop-Coverversionen frischer Brüder im Geiste – vielmehr eine eigene Dramaturgie, seine ganz eigene Logik. So erzählt 2 MANY DJS eine kurze Geschichte vom Eklektizismus in der Popmusik und räumt gleichzeitig alle Küchenstühle auf jeder Studentenparty leer. Vor allem aber zeigt die Platte den vielen überzähligen Gleichlauf-Turntable-Drehern da draußen ihre Grenzen auf-und jenen im Töpfchen die fast grenzenlosen Möglichkeiten ihres Tuns und Lassens.

www.2manydjs.org