Deutsches Theater Von Benjamin von Stuckrad-Barre :: Reportagensammlung
Freunde seiner Lesungen und seiner Sendereihe „Lesezirkel“ bei MTV wissen es: Benjamin von Stuckrad-Barre ist ein durchaus talentierter Selbstdarsteller. Nicht zuletzt deshalb war die Idee, deutsche (Selbst-)Inszenierungen aller Art (von der Aktionärsversammlung über die Filmpreis-Verleihung bis zur Müllentsorgung nach der Love Parade) nachzuzeichnen, bei ihm in besten Händen. Billig war sie nicht: „Um herauszufinden, wo ist die Bühne, wie wird inszeniert, wer spricht welchen Text, mußte ich sehr viel reisen.“ Das kostspielige Unterfangen hat Stuckrad deshalb durch Abdrucke einzelner Kapitel in Zeitungen und Zeitschriften finanziert. Doch auch wenn diese „Versuche mit mir selbst“, bei denen es ihm darauf ankam, „möglichst reizsensibel, offen und naiv durch die Gegend zu gehen und versehrt, aber schlauer wiederzukommen“, von Redaktionen alimentiert wurden, interessieren Stuckrad „journalistische Reinheitsgebote“ nicht. Deshalb hat der Leser es hier mit durchaus unterschiedlichen Textformen zu tun – mit investigativen Reportagen etwa (wenn Stuckrad im Kapitel „Promotion“ als aufblasbares Handy durchs Berliner Olympiastadion tappert). Am besten ist Stuckrad allerdings als sehr genau und subtil porträtierender Beobachter. Mit der so genannten Pop-Literatur hat das alles nicht mehr viel zu tun, dafür zeitigt es reichlich amüsante und überraschende Ergebnisse. Nicht zuletzt, weil Benjamin von Stuckrad-Barre die üblichen Soft Targets eher schont: „Hellmuth Karasek beispielsweise taugt allen immer als die billigste Abwatschfigur“, ist Stuckrad genervt. Und so kommt der Großkritiker hier weniger lächerlich rüber als mancher andere, obwohl die Geschichte über ihn gleich damit beginnt, dass er sich die Hose föhnt. Ein überraschendes Coming-out feiert der Schreiber Stuckrad mit diesem Buch auch als Fotograf mit etwas beschränkter Technik („Ich halte drauf wie ein Urlaubsfotograf“), aber notorisch eigenem Blickwinkel.
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