Tindersticks: Berlin, Hotel Estrel :: Gepflegter Trauer-Pop

Die sehr deutsche Firma Siemens produziert bekanntlich in erster Linie Telefone und ICE-Bauteile. Die sehr britische Band Tindersticks dagegen reproduziert süffiges Herzeleid in Moll. Was aber haben die Tindersticks und Siemens gemeinsam? Nun, beide luden sie am selben Abend ihre Anhänger in auch noch benachbarte Kongressräume im Berliner Hotel Estrel. Nichtinformierten sei an dieser Stelle gesagt: Dies ist das größte Hotel Deutschlands, es gleicht in seiner Monstrosität einem gekenterten Tanker, gewissermaßen auf Grund gelaufen am längeren Ende der Sonnenallee.

Und nun traten hier ausgerechnet die smarten Tindersticks auf, in einer Halle von der Größe eines Hangars und dem Charme einer Schuhschachtel. Fürwahr ein ernüchternder Eindruck, der sich noch dadurch verstärkt, dass die Siemens-Aktionäre von den Tindersticks-Fans kaum zu unterscheiden sind – schwarz gewandete Thirtysomethings schwenken Rotweingläser, that’s it. Spielt aber auch keine Rolle, da die Band, wie die „Berliner Zeitung“ mal so treffend schrieb, keine Fans hat-sondern Zuhörer und Zuschauer, die sich benehmen, als würde da vorne auf der Bühne der Philosoph „Jean Baudrillard die Lottozahlen bekannt geben und interpretieren“.

Aber auf dar anderen Seite – was gibt’s schon zu tanzen, wenn sich die Tindersticks mit einem zehnköpfigen Streicher-Ensemble die Ehre geben, um Klassiker wie das sämige „A Night In“ in noch süffigerer Version zu präsentieren? So weich, schmachtend und bewährt affektiert sich Stuart Staples durch sein Set, dass das verwaiste Schlagzeug zunächst gar nicht weiter auffällt. Irgendwann spricht es sich dann aber doch herum im gediegen bestuhlten Saale, dass Drummer Al Macauley wegen „Erschöpfung“ einstweilen das Handtuch geworfen hat. Was dem reizvollen Tete-à-Tete zwischen Kammermusik und Trauerpop freilich keinen Abbruch tut. Im Gegenteil -so kommt dem genüsslichen Schunkeln vor allem der hervorragende Sound entgegen, der die Reize der Arrangements in erfreulicher Klarheit erstrahlen lässt, ihre pastellene Monotonie. Das musste so sein, denn die melancholische Messe wurde mit einem nicht ganz unerheblichen Aufwand mitgeschnitten, und das aus gutem Grund: 2002 nämlich kommt das Live-Album.

www.tindersticksonline.de