Spiritualized: Hamburg, Markthalle :: Gospel-Spacerock

„Ladies and gentlemen, we are floating in Space‘- die Meister der epischen Breite lassen das Kamel raus. In „Lawrence von Arabien“ gibt es eine Szene, in der Omar Sharif fünf Minuten lang auf seinem Kamel durch eine Dünenlandschaft auf die Kamera zureitet. Sie wird gern herangezogenem zu illustrieren, wie sich Regisseur David Lean, Meister des epischen Breitwandkinos, „Zeit für Bilder“ ließ. Jason Pierce, Meister des epischen Breitwand-Spacerock, ist so was wie der David Lean des Rock – und heute nicht in der Stimmung, Kompromisse zu machen: 20 Minuten „Cop Shoot Cop“ inklusive Freejazz-Finale gefällig? So zum Aufwärmen? Schluckt dies!

Ein paar strecken gleich die Waffen (ein Kollege diagnostiziert „Hippie-Kacke“, hüpft in die U-Bahn und hört sich zu Hause die neue Fugazi an), andere stecken sich lieber noch ein Tütchen an – und abgeht er, der Peter. Seitlich am Bühnenrand steht Pierce, ein Schemen im Gegenlicht, kein Wort wird er in zweieinhalb Stunden an sein Publikum richten. Dafür hat er seine Band im Blick, elf Mann hoch, im Kern neue Mitarbeiter, die alten hat Pierce rausgeschmissen, als sie es wagten, angemessene Bezahlung zu fordern. Auf bandinterne Freundschaften legt der despotische Spiritualized-Kopf wenig Wert, er will seine Vision eines ausladenden, Testosteron-freien Rock-Gospel, zu gleichen Teilen Über- und Bewältigungsmusik, optimal umgesetzt hören – und der Präzisionsmotor läuft. Auf den Schussvorden Bug „Cop Shoot Cop“ folgen der Rocker „Electricity“, Harmonie-Herrlichkeit mit „Shine A Light“, der Instrumental-Monolith „No God Only Religion“.

Immer wieder reiten Kamele durch’s Bild, wenn sich aus dräuenden Intros langsam Riffs, Songs herausschälen oder die wilde Jagd sich wie in „Won’t Get To Heaven (The State l’m In)“ aus rasender Fahrt heraus an einem Akkord festhakt, ihn umkreist – minutenlang, immer irrer, hypnotischer, die fünf Bläser nah am „Atom Heart Mother“-Überschnappen -, um dann mit voller Fliehkraft weiterzubrechen. Nicht durchweg hält sich die Spannung, Längen kommen vor-die sanft schwankenden 500 schert’s wenig. Sie freuen sich über die letzte von vier formidablen Zugaben: „Walking With Jesus“, ein Song von Pierces früherer Band Spacemen 3. Die haben ihr Credo ja mal in einem gern zitierten Albumtitel zusammengefasst: „Taking Drugs To Make Music To Take Drugs To“. Hippie-Kacke, ja. Aber heiße.

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