Ryan Adams :: Gold

Brillant: Der ehemalige Whiskeytown-Kopf liefert mit seinem zweiten Soloalbum ein süffiges Meisterwerk.

Jeansträger vor Stars & Stripes? 1984, Springsteen, BORN IN THE USA. Ob die optische Parallele beabsichtigt ist, lassen wir mal dahingestellt. Ziehe aber keiner den voreiligen Schluss, dass Ryan Adams, Chef der vor drei Jahren in grandioser Schönheit dahingeschiedenen No Depression-Helden Whiskeytown, nun zum neuen Boss des US-Rock wird. Zumindest nicht im Sinne des Cinemascope-Patriotismus, den man dem Mann aus New Jersey seinerzeit zu Unrecht unterstellte. Ein Gedanke, bei dem es Adams vor dem Hintergrund von Uncle Sams aktueller Situation gruseln dürfte.“New York, New York“, seine Hommage an die Stadt und Opener von Gold, wurde schon im Sommer aufgenommen, der dazugehörige Videoclip vier Tage vor dem WTC-Desaster passenderweise im Süden von Manhattan gedreht. Mit Patriotismus hat Adams nichts am Hut, und als Songwriter schöpft er aus den nie versiegenden Quellen: die Last mit der Existenz als solcher und der Liebe im Besonderen. Was ihn indes meilenweit aus dem Meer der Konkurrenz heraushebt, ist seine totale Hingabe: Der Mann kehrt in jeder Note sein Innerstes nach außen. Und sein brillantes Händchen für Melodien: Sowohl Whiskeytowns wie auch Adams‘ Alben sind üppigst mit Ohrwürmern voll gestopft. Und nicht zuletzt seine geradezu beängstigende Produktivität: Für Gold hat Adams weit über 30 Songs in kürzester Zeit geschrieben, letztlich 16 für die 70-minütige CD-Fassung ausgewählt, mithin satt Material für ein ganzes Outtakes-Album. Und ganz nebenbei probt er längst schon zwei Dutzend Songs mit den Pinkhearts, seiner in Nashville beheimateten Hardrock-Countrypunk-Band, mit der er für das kommende Jahr ein Album plant.

Musikalisch könnte Adams als lange verschollener Sohn von Emmylou Harris und Gram Parsons durchgehen. Das Gram-Gen äußert sich in seiner überall durchscheinenden Verletzlichkeit, das von Emmylou im stilistischen Kosmopolitentum. Dabei ist Country weiß Gott kein Begriff, mit dem sich Adams‘ Musik fassen ließe. Gold hat mehr von klassischem Neil Young und EXILE ON MAIN-STREET als von Nashville, mehr von der schwelgerischen Harmonieseligkeit der britischen Travis als von Willie Nelson und Johnny Cash. War sein Solodebüt HEARTBREAKER ein karges, bitteres und naturbelassenes Lament, so ist GOLD ein farbenfrohes, süffiges und kraftvoll rockendes Prunkstück. Adams‘ Perspektive ist nun die des Beobachters, nicht mehr die der quälenden Selbstanalyse. Als Musiker verfügt er neben seiner großen Gabe als Songwriter über den nötigen Eklektizismus. So verpackt er sein „Nobody Girl“ in ein neunminütiges Crescendo, das Neil Young &t Crazy Horse zu ZUMA-Zeiten nicht besser hingekriegt hätten, rockt derb und hemdsärmelig durch „Tina Toledo’s Street Walkin‘ Blues“, träumt am Piano von „Sylvia Plath“, gospelt sich mit Chor und dicker Hammondsauce durch „Touch, Feel & Lose“ und grüßt in „New York, New York“ Townshends guten alten „Pinball Wizard“. Ethan Johns, Sohn des legendären Glyn, führte die Studioregie. Was er nicht selbst mit der Gitarre oder an den Drums besorgte, überließ er u. a. Benmont Tench (Tom Petty), Rami Jaffi (Wallflowers) und Pedal Steel-As Bucky Baxter (Bob Dylan/Steve Earle) sowie Gastsänger Adam Duritz. Wichtigster Partner neben Johns war Chris Stills (Stephens Sohn), der fast die komplette Gitarrenarbeit erledigte. Frank Callari, A&R-Chef von Lost Highway, prophezeit: „Ryan ist nur dreieinhalb Minuten entfernt – wenn ihm der eine Hit gelingt,das eine Lied, das jeder kennt, dann wird es dasselbe für ihn bewirken, was es seinerzeit für Neil Young bewirkte.“ Gemeint ist wohl „Heart Of Gold“. Für einen so talentierten Mann, der noch dazu am selben Tag Geburtstag hat wie Spiritus Rector Gram Parsons, sollte das nicht unmöglich sein. GOLD ist in Deutschland einstweilen nur über Import erhältlich, wird aber im Februar auch hierzulande bei Mercury veröffentlicht.