The :: Rock’n’Roll

Landauf, landab wird in den I Feuilletonsein Eighties-Revival gefeiert: Schicke, dürrbunte Gestalten, die aussehen wie Gelfrisuren mit Lipgloss-Körpern, mopsen sich durch zickige Steril-Beats und süßeln Plastik-Stilismen in rosa Mikrofone, die auf staubgesaugten Bühnen im Neonlicht stehen. Hübsch, das. Hat aber einen ähnlichen Nebeneffekt wie eine wochenlange Diät mit kandierten Mini-Mints: den Hunger nach einer Portion rohen Lebens, nach dem Geruch der Straße. Man könnte meinen, dieses Bedürfnis würde durch die gleichzeitig ablaufende Endlos-Parade US-amerikanischer und einheimischer Prügel-Schlamm-Stumpf-Kombos mit blanken Hintern und herausgestreckten Nagel-Zungen befriedigt, aber das ist ein böser Irrtum – nicht Stumpf ist Trumpf, sondern Hirn gefragt, nicht blindes Hampeln, sondern coole Raserei. Zorn mit Stil. Aber immer wenn es Nacht wird in der Pop-Welt, dämmert auch schon ein neuer Morgen, und die Sonne geht mal wieder im Norden auf: In Schweden, wo neben unübersehbaren Armeen von Klischee-Pogo-Truppen seit vielen Jahren auch die echte geile Wut, die wir mal Rock ’n‘ Roll nennen wollen, Refugium und Biotop gefunden hat. Hier ist das Hauptquartier der (internationalen) Lärm-Verschwörung, die auf ihrem zweiten regulären Album wie vieles aus Schweden an vieles erinnert – ein bisschen früher Alice Cooper hier, eine Spur The Make-Upda,eine Ladung Stooges-Detroit-Krach dort, ein Gerüst aus Kinks-erprobtem Sixties-R-&-B, die aber vor allem den Teufel im Hirn und den Tiger im Tank weckt. Und sich zudem ausufernde, lesenswerte Gedanken über die unterschwellige Angst des zum vereinzelten Konsumier-Leben verurteilten Menschen im Globalisierungs-Kapitalismus macht. Der Albumtitel spielt zugleich auf Bob Dylan und die US-revolutionären Weathermen an, das Cover zitiert die Situationistische Internationale-bezeichnend für ein Album, das zu keiner Sekunde vorhat, sich zwischen Stühle zu setzen, sondern diese aus ihrer Verankerung zu reißen und unter Jubelgeheul zu defenestrieren. Das aus Widersprüchen, Wut und Vergeblichkeit dicke, elektrisierende Funken schlägt. Nur ein Album, meint die Band, das die Welt nicht verändern wird. Aber das Produkt einer, ähem,geistig-moralischen Haltung, der selbiges eines Tages sehr wohl gelingen könnte.

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