Live – V :: Rock

Beim Opener „Simple Creed“ meint man noch, die falsche CD im Player zu haben: Eine kratzige Stimme röhrt zu pulsierenden Electro-Beats und einem Haufen Sequenzer-TripHop-Master Tricky, seit neuestem Busenkumpel von Mr. Ed, darf das fünfte Epos der ewigen Alternative-Hoffnung einleiten. Und das ist nicht die letzte Überraschung: Bei „Deep Enough“ werden harte Sequenzer bemüht, die Gitarren ähnlich infernalisch gestimmt wie bei Linkin Park, und Ed schreit sich die Seele aus dem Leib. Kein Vergleich zu den selbstgefälligen Vorgängern SECRET SAMADHI und THE DISTANCE TO HERE, die mit kryptischen Texten, esoterischem Flair und einfallslosem Rock glänzten. Davon hat sich das Quartett inzwischen gelöst, ist weltoffener und druckvoller geworden. Vielleicht, weil man jetzt im kosmopolitischen LA. wohnt, vielleicht aber auch nur, weil die Musiker die Zeichen der Zeit erkannt haben. Dass man eben nicht länger ohne Technik, Härte und Wut auskommt und Gitarren direkt und brutal klingen sollten. All das beherzigen Live plötzlich, als hätten sie diese Entwicklung von Anfang an getragen. So mutiert Ed bei „Like A Soldier“ zum pöbelnden MC und will in „People Like You“ gleich noch dem Mainstream ans Bein pinkeln. Doch halt, zu früh gefreut: Die frische harte Brise hält nicht lange an. Schon bei „Transmit Your Love“ schwelgt Ed wieder in verklärten Hippie-Idealen, „Forever May Not Be Long Enough“ und „Nobody Knows“ sind schmachtende Balladen, die kaum kitschiger sein könnten. Zu wenig, um von radikaler Erneuerung zu sprechen – aber immer noch weit über dem Durchschnitt.

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