U2: München, Olympiahalle :: Wild At Heart

Das hat man auch Selten. Ein paar Hundert Fans verfolgen das komplette Konzert von draußen mit. Sie drücken sich an die großen Glasfronten der Münchner Olympiahalle, belagern die Ordner an den Eingängen. Manche haben sogar kuschelige Decken und gut gefüllte Picknick-Körbe mitgebracht. Und das bei den unschön herbstlichen Temperaturen. Der Sommer nimmt nämlich an diesem Abend mal wieder eine Auszeit, lässt sich durch ein nasskaltes Tiefdruckgebiet vertreten. Drinnen herrscht dafür subtropisches Klima. Und eine aufgeheizte, fiebrige Stimmung. Flirrende Clubatmosphäre in der sonst so sterilen Mehrzweckhalle. Und Erwartungen so riesengroß, dass sie eigentlich nur enttäuscht werden können. 500 Mark hat so mancher ausgegeben. Auf dem Schwarzmarkt. Für eine Karte. Aber was ein echter Fan ist, der hätte Haus und Hof samt eigener Großmutter versetzt, um dabei zu sein, wenn Bono.The Edge, Larry Mullen und Adam Clayton endlich endlich wieder heimkommen. Zurück von ihrer langjährigen Odyssee durch das postmoderne Zooropa und ihrer Expedition in das seltsame Pop-Land, wo nur überdimensionale Zitronen gedeihen. Aber vielleicht mussten sie ja in den letzten zehn Jahren all diese Experimente durchmachen, um dorthin zu gelangen, wo sie heute stehen. Und wieder Songs zu schreiben wie „Elevation“ oder „Beautiful Day“, die an diesem Abend mit soviel Energie und Wucht daherkommen, dass man fürchtet, dass den Leuten am Mischpult jeden Moment sämtliche Sicherungen und Schutzschalter um die Ohren fliegen. Selbst „Sunday, Bloody Sunday“, längst abgeschrieben als Gassenhauer auf strunzdoofen Studentenparties, klingt plötzlich wieder so wütend und energisch als ob man es zum ersten Mal hören würde. Sogar ein paar Takte von „Get Up, Stand Up“ flechten U2 ein. Und was sich jetzt wie eine Steilvorlage für jeden Zyniker liest, stellt einem live die Nackenhaare auf. Genauso wie „Desire“, das die Iren gemeinsam an der Spitze des herzförmigen Catwalks, der um die Bühne verläuft, intonieren. Das brüchige „In A Little While“, dem verstorbenen Herman Brood gewidmet, sorgt für einen ziemlich dicken Kloß im Hals, „Where The Streets Have No Name“ lässt die Augen glänzen. Die vier Mega-Bildschirme, die das Bühnen-Geschehen in grobkörnigen, gerne mal überbelichteten Schwarz-Weiß-Bildern wiedergeben, tragen das ihre dazu bei. U2 sind zurück, die Erde hat sie wieder. Ganz ohne Multimedia-Gedöns geht es zum Schluss dann doch nicht ab: Buntes Geflimmer, Videokunst und Techno-Ästhetik, dezent dosiert, sorgen dafür, dass das Ganze nicht zu retrolastig wird. Und das ist auch ganz gut so. Und Bono? Der hat zu diesem Zeitpunkt längst seine Sonnenbrille abgenommen und klatscht fröhlich Hände ab. Von MacPhisto fehlt jede Spur. Nur die eine oder andere Prediger-Pose aus alten Tagen ist ab und an noch durchgekommen. Aber wahrscheinlich kann er halt nicht anders. Und das geht absolut in Ordnung.

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