Stumm-Nacht: Berlin, Volksbühne :: Feierstunde

Wenn sich ein renommiertes Label wie Mute Records (Depeche Mode, Erasure, Nick Cave, Moby u.a.) entschließt, erstmals einen eigenständigen deutschen Sitz zu beziehen, muss das gefeiert werden. Und so geben sich bei der rauschenden Stumm-Nacht in der neuen Mute-Heimat Berlin auf drei Bühnen gestandene und frisch auserwählte Acts (Barry Adamson, Add N To (X), Goldfrapp u.a.) bis in den frühen Morgen ein Stelldichein. Nick Cave, dessen Karriere durch längere Aufenthalte in der einstigen Mauerstadt damals kreativen Schub erhalten hat, liefert sogar sein einziges Konzert in diesem Jahr ab.

Der Australier erscheint nicht mit allen Bad Seeds, er mag es spartanisch. Zuerst setzt er sich als Solist ans Piano und kehrt mit „Into My Arms“ seine romantische Seite nach außen. Erst danach verstärken ihn Blixa Bargeld an der (wie immer verstimmten) Gitarre und Thomas Wydler am Schlagzeug. Das Ganze ist nicht einstudiert, weshalb sich die Musiker mitunter wortreich verständigen. Bei „The Mercy Seat“ merkt Bargeld dann, dass er mit knarzigem Krach nur stört, und stellt sein Saitengerät auf dezentes Wabern um. Schon gerät das Trio in Fahrt. Cave, der bis dahin keine Schweißperle vergossen hat. geht aus sich heraus und treibt den Auftritt zum kurzen, aber heftigen Höhepunkt. Nur gut ein halbes Dutzend Songs gibt es zu hören, mit mehr will sich der Altmeister des Gossenblues wohl nicht in den Vordergrund drängen.

Das Publikum bevölkert den großen Saal der Volksbühne dermaßen zahlreich, dass der Zugang nachfolgend wegen baulicher Bedenken beschränkt werden muss. Damit die Mute-Hoffnungsträger Add N To (X) überhaupt spielen können, dürfen sich Zuhörer auf einer vergrößerten Bühne vor der Band aufbauen. Den Briten machte es sichtbar Spaß unter diesen chaotischen Bedingungen auf ihren antiquierten Analogmaschinen herumzutackern. Bei ihrem Auftritt kommt dann auch wirklich einmal ausgelassene Partystimmung auf. Sonst bleibt alles merkwürdig diszipliniert. Mute war ja immer ein Label mit intellektuellem Anspruch, ein Refugium für Anti-Establishment-Künstler. Daran hat sich seit den für die Firma goldenen 80ern nichts geändert, auch wenn die jüngere Musikergeneration mit modernen Stilen wie Krautrock, Britpop(!) und Techno hantiert. Plebejer wüten woanders.

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