LORETTA
Es dauert knapp 30 Sekunden bis zum Wiedererkennen, aber wenn das Piano einsetzt, lehnt sich der Kenner lächelnd zurück: Da ist es wieder, das unwiderstehliche Loretta-Gefühl, bei dem man sich mit geschlossenen Augen auf einer blühenden Wiese wähnt, das selbst in fensterlosen Kellerzimmern die Sonne aufgehen lässt und für ein bisschen Platz im Plattenregal sorgen kann – Chuck Prophet war so gut nie, und auch einen Großteil der Tom-Petty-Sammlung kann getrost auf den Flohmarkt tragen, wer GOODBYE besitzt. Trotz seiner imposant langen Geschichte mit verschiedenen Loretta-Inkarnationen (einst plus Chipmunks, später Hip Monks) kennt immer noch fast niemand Andreas Sauer. Das ist erklärlich in einer Zeit, wo zirpende Boygroups, blökende Alt-Punks und missmutige Bierbäuche mit Crossover-Äxten den musikalischen Geist bestimmen. Aber „Everything’s Fucked Up“ (Track 4) ist trotzdem stark übertrieben, denn inzwischen sind zumindest außerhalb der Pop-Wüste Deutschland einige Leute hellhörig geworden: Thomas J. Newton, Historikern als Produzent von Scott Walker und den Shangri-Las ein Begriff, hat GOODBYE mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen aufs Band gebracht; Neo-Folk-Queen Barbara Manning steuerte zu zwei Songs Gesang bei; Nikki Suddens langjähriger Mitstreiter Dave Kusworth sang ebenfalls und spielte Gitarre. „Mott The Hoople“ (Track 10) und die abschließende „Nick Drake Party“ zwinkern zutraulich mit eineinhalb Augen. Was Andreas Sauer will, ist: die Songs schreiben, spielen und aufnehmen, die seine Vorbilder vergessen haben. Davon hat er uns in vielen Loretta-Jahren mittlerweile ein gutes halbes Hundert hinterlassen; ein richtiger Irrtum oder Ausfall war noch nicht darunter. Höchste Zeit, ihn endlich auf ein Podest zu stellen, selbst wenn wir dieses Podest erst bauen müssen, (msa) -» www.naiv.de
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