Steasy im Interview: „Wäre meine bisherige Karriere wie die von Cro verlaufen, wäre sie perfekt“
Wir haben uns mit Steasy verabredet und mit ihm über sein neues Album EXIT, Schicksalsschläge, die Deutschrap-Szene und Karriere-Vorbilder gesprochen.
Manchmal schenkt dir das Leben Rosen. Andere Male schickt es dich an die tiefsten Abgründe des menschlichen Empfindens. Es lohnt sich, über beides zu sprechen. Der in Hamburg lebende Steasy ist vor allem Battle-Rap-Fans durch seine Teilnahme an Formaten wie dem RBA (Reimliga-Battle-Arena) und VBT (Video-Battle-Turnier) bekannt. Mit sympathischer Arroganz und Überspitzung war er sogar in der Lage, Letzteres zu seiner absoluten Hochzeit für sich zu entscheiden. Neben Ansehen und einem wohlverdienten Stellenwert in der Szene ermöglichte ihm der Sieg unter anderem, das Splash-Festival im Jahr 2014 zu eröffnen. Auch einige Major-Labels warfen ein Auge auf den geschickten Rapper, der damals noch unter dem Pseudonym Persteasy auftrat. Doch Steasy schlug die großen Plattenverträge ab und machte weiter sein eigenes Ding. Knapp vier Jahre später erschien schließlich sein Debüt-Album STATUSSYMBOL. Weitere vier Jahre später erscheint nun der Nachfolger EXIT.
In der Zwischenzeit ist in Steasys Leben einiges vorgefallen. Leider nicht nur Gutes. Auf seinem zweiten Werk lässt er den Vorhang fallen und spricht unverblümt über die vergangenen Jahre und jene Schicksalsschläge. Dabei lässt er seine gefeierten Battle-Skills größtenteils im Tresor und rappt sich wortwörtlich die Seele vom Leib, ohne jemanden dabei etwas beweisen zu wollen.
Musikexpress.de: Viele Leute verbinden Deinen Namen noch immer mit dem Gewinn des VBT-Turniers. Stört dich das?
Steasy: Früher hat mich das definitiv mehr gestört. Aber es ist ein wichtiger Abschnitt meiner Karriere und etwas, auf das ich immer wieder gerne zurückschaue. Rückbetrachtend war es eine wirklich schöne Zeit.
Wie viel ist von dem alten Persteasy aus dieser Zeit noch übrig?
Ich mag die Musik von damals immer noch, von daher würde ich auch sagen, dass immer noch etwas davon übrig ist. Allerdings kann ich mich zurzeit nicht mehr so stark damit identifizieren. Das aktuelle Album hat nicht mehr so viel mit den Battle-Runden zu tun. Ich habe mich weiterentwickelt, auch wenn Battle-Rap immer ein Kernelement von mir bleiben wird.
Du hast Dir mit EXIT eine Menge Zeit gelassen. STATUSSYMBOL liegt rund vier Jahre zurück. Wieso hat es solange gedauert, ein neues Album aufzunehmen?
Es hat auch bis zu meinem ersten Album sehr lange gedauert. Grundsätzlich bin ich, was sowas angeht, nicht der Schnellste. Die Songs waren teilweise schon früher fertig, aber ich habe immer weiter daran gearbeitet. Dann sieht man wieder Verbesserungsbedarf und Songs fallen aus dem Raster. Es gab auch Phasen, in denen es mir nicht gut ging und ich gar nichts gemacht habe. Ich hatte Lust auf dieses Albumformat, auch wenn es nicht mehr zeitgemäß ist. Man kann es als Gesamtkunstwerk angehen und konzeptionell arbeiten und so bin ich das auch angegangen. Deswegen hat es sich ein wenig gezogen. Ich wollte einfach alles richtig machen.
Dein vorheriges Album konnte den Erwartungen nicht ganz gerecht werden. Hat das die Herangehensweise bei EXIT beeinflusst?
STATUSSYMBOL war gar nicht so unerfolgreich. Meine Erwartungshaltung war einfach viel zu hoch. Ich habe genug verkauft, um theoretisch hätte charten zu können. Ich bin dadurch mit einer viel geringeren Erwartung an dieses Album angegangen. Viel ist auch in Eigenregie entstanden, wie zum Beispiel das physische Format.
Wie sahen Deine Erwartungen denn aus?
Letztendlich habe ich mir erhofft, dass die Zahlen größer sind. Ich kam aus dem VBT und da ist man zu dieser Zeit zahlentechnisch verwöhnt worden. Es lagen aber fast vier Jahre zwischen STATUSSYMBOL und dem VBT-Finale. Viele Leute waren dann nicht mehr am Start. Im Nachhinein betrachtet war es unrealistisch, dieselben Zahlen wie damals zu erwarten. Ich habe außerdem damit gerechnet, dass der ganze Aufwand mit der Box dazu führt, dass ich in den Charts stattfinde. Leider haben wir nicht bedacht, dass in der Woche vom Release Black Friday ist. Das hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Damals war ich sehr enttäuscht, weil unglaublich viel Arbeit in dieses Projekt geflossen ist. Mittlerweile kann ich darüber lachen.
Du hast Dich auf EXIT einmal nackt gemacht und über viele negative Erfahrungen aus Deinem Leben berichtet. Hattest Du Angst davor, was die Fans zu gewissen Themen sagen werden?
Das klammert man erst mal aus, wenn man im Schreibprozess ist. Aber desto fertiger der Song wird, umso mehr macht man sich Gedanken, ob manche Außenstehende und Angehörige den wirklich hören sollten. In meinem Fall bin ich All-In gegangen. Auch weil ich finde, dass das gerade am besten meine Kunst widerspiegelt. Mir ist bewusst, dass man Songs wie „Mein Herz“ nicht im Loop laufen lassen kann, aber dafür habe ich ihn auch nicht gemacht.
Auf „Mein Herz“ erzählst Du lebensecht davon, wie es sich anfühlt, an einer Herzneurose zu leiden. Ging es beim Schreiben des Textes primär darum, das Erlebte zu verarbeiten oder wolltest Du auch anderen eine Stimme geben?
In erster Linie ging es mir darum, das Ganze zu verarbeiten und zu zeigen, was die Psyche mit einem machen kann. Ich war im Nachhinein überrascht über die ganzen privaten Nachrichten, die mit der Veröffentlichung eingingen. Meine Songs schreibe ich in der Regel nur für mich und das war auch hier der Fall. Umso schöner ist es dann, wenn man Leuten aus der Seele sprechen kann. Wenn ich jemandem damit helfe, hat der Song noch mehr seinen Zweck erfüllt, als er es ohnehin schon tut.
Du warst lange Zeit als Poser-Rapper bekannt. Würdest Du rückblickend sagen, dass Du Dein wahres Ich überspielt hast?
In Battles spielt man immer eine Rolle. Vor allem in einem Turnier gibt man sich Mühe, unnahbar zu sein. Es soll einem keiner in die Karte schauen können und schon gar nicht in der Lage sein, irgendwelche privaten Stories aufzugreifen. Ich würde aber nicht so weit gehen, dass das nur ein Charakter von mir gewesen ist, da steckt auch viel von mir drinnen. Ich mag diesen überspitzten Humor des Battles.
Ein Thema, das sich durch das Album zieht, ist Angst. Wie würdest Du die Deutschrap-Szene in Bezug darauf mittlerweile bewerten?
Ich glaube, dass immer mehr Rapper*innen mit persönlichen Geschichten an die Öffentlichkeit gehen. Es gibt einige Namen, die gewisse Türen ein Stück weit aufgemacht haben. Sierra Kidd zum Beispiel. Er ist bekannt dafür, viel Persönliches preiszugeben. Lance Butters hat ein ganzes Album nach dem Thema Angst benannt. Lange Zeit war es verpönt, über Dinge wie Schwächen und Angst zu sprechen. Inzwischen gehen viele Künstler*innen viel intensiver damit um, auch wenn der Rap-Kosmos immer noch von Rapper*innen bestimmt wird, die das nicht tun. Aber auch diese Künstler*innen haben auf ihrem Album ja meistens einen Track, auf dem sie ihr Herz ausschütten. Allgemein sehe ich dahin gehend eine positive Entwicklung. Das zeigt ja auch wieder, wie künstlerisch wertvoll und vielfältig unser Musikgenre ist.
Toxische Beziehungen kommen auf EXIT ebenfalls nicht zu kurz. Auch das ist etwas, worüber im Deutschrap selten gesprochen wird.
Ich glaube, inzwischen ist das gar nicht mehr so ein großes Tabu-Thema. Popkulturell wird es sogar glorifiziert und gilt als schick. Herzschmerz wird in vielen Videos schön aufbereitet, sodass sich viele damit identifizieren können. Ich habe da gerade die Videos von Elif im Kopf, die ja sehr viel darüber singt und rappt. Sie ist damit komplett im Mainstream angelangt. Ich finde es gut, dass die Leute anfangen, darüber zu sprechen.
Von wem handelt der Song „After Hour“?
In dem Song geht es um eine Freundin, die schwer erkrankt ist und schließlich auch an dieser Krankheit verstorben ist. Ich wollte einen Song über sie machen, das stand für mich fest. Sie war eine sehr beeindruckende und besondere Persönlichkeit und ist auch heute noch ein Vorbild für mich. Sie ist mit einer Leichtigkeit durch ihr Leben gegangen und das trotz des jahrelangen Kampfes mit der Krankheit. Das beeindruckt mich bis heute. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit ihr befreundet sein durfte.
Du hast auf EXIT viele Songs, die bis an die Abgründe des Lebens gehen. Sind all diese Themen aktuell, oder liegen sie schon etwas zurück?
Ein Großteil ist in den vergangenen beiden Jahren passiert. Gerade 2019 war das wahrscheinlichste beschissenste Jahr, das ich bisher erlebt habe. Viele Inhalte vom Album stammen auch aus dieser Zeit, von daher ist das noch alles relativ zeitnah. Der Song „3. Monat“ liegt jedoch schon ein paar Jahre zurück. Das Thema war aber noch nicht reif genug, um auf diese Weise verarbeitet zu werden.
Geht es Dir mittlerweile besser?
Mit der Corona-Pandemie ist komischerweise für mich persönlich alles etwas besser geworden. Das hat nichts mit der Pandemie an sich zu tun, aber seit April vergangenen Jahres geht es mit mir wieder bergauf.
Deine Karriere ist nicht immer so gelaufen, wie Du Dir erhofft hattest. Wie sieht eine perfekte Karriere denn für Dich aus?
Eine perfekte Karriere wäre gewesen, wenn mich jeder auf dem Schirm hätte und ich trotzdem noch in der Lage sein könnte, entspannt und unerkannt durchs Leben zu gehen. Ungefähr so wie Cro. Das würde ich als eine perfekte Karriere bezeichnen. Man blendet als Künstler jedoch gerne aus, was man bereits erreicht hat. Ich will den Sieg beim VBT natürlich nicht so hochhängen, aber es gibt bestimmt einige, die sehr viel dafür gegeben hätten, das geschafft zu haben. Eigentlich geht es doch darum, Wertschätzung zu erfahren. In welcher Größenordnung das stattfindet, spielt für mich keine entscheidende Rolle. Es wäre natürlich super, wenn es mit dem neuen Album mehr Zuhörer*innen werden, aber ich bin auch zufrieden, wenn es so bleibt. Ich mache auf jeden Fall weiter. Egal, wie es läuft.
Wenn Du nochmal in das Jahr 2011 zurückreisen könntest, wo Deine Karriere ihren Anfang genommen hat – was würdest Du Deinem damaligen Ich auf den Weg geben?
Ich würde ihm auf den Weg geben, dass er mehr dafür tun soll, ein relevanter Künstler zu werden. Er sollte außerdem weniger feiern und abhängen. Einen Auftritt beim Splash sollte er als eine Art Traum sehen und nicht als etwas, das sowieso niemals passieren wird.
Steasys zweites Album EXIT ist am 21.Mai 2021 erschienen.
EXIT von Steasy hier im Stream hören: