Free – Songs Of Yesterday :: Freibeuter
In vielerlei Hinsicht waren Free die perfekte Verkörperung der britischen Rockmusik um 1970. Ein Jahr, das in den Rock-Annalen eine Ära des Umbruchs markierte. Anstatt sich weiterhin in ausufernden Improvisationen zu ergehen, bemächtigte sich das bald von schillernden Figuren wie T. Rex oder David Bowie angeführte britische Musikerheer einer eingängigen und geradlinig strukturierten Form des Rock ’n‘ Roll- und Blues-Erbes. In jener Phase des Übergangs klangen Free einerseits erwachsen und rau genug, um ein älteres, progressiv orientiertes Publikum anzusprechen. Auf der anderen Seite musizierten sie kommerziell auf den Punkt und waren entsprechend jung und attraktiv, um Teenagerherzen und Singles-Charts gleichermaßen zu erobern. Die knapp fünfjährige Historie von Free lässt sich nun anhand des mit zahlreichen unveröffentlichten Aufnahmen bestückten 5-CD-Sets SONGS OF YESTERDAY nachvollziehen. Das beigelegte 60-seitige Booklet wartet mit seltenen Fotos und einer detaillierten und exzellent erzählten Biografie von Phil Sutcliffe auf. Entgegen sonstigen Anthologien enthält die Box auf den ersten drei Silberlingen einen zwar chronologischen, aber ziemlich überraschenden Querschnitt: Anstatt bereits bekannte Versionen von Free-Klassikern aneinander zu reihen, bietet die Box zahlreiche Alternative Takes, unveröffentlichte Aufnahmen, neu gemixte Originale sowie rare Single-A- und B-Seiten. Eine im Grunde genommen weise Entscheidung. Denn vom Verkaufsrenner FIRE AND WATER abgesehen, gelang es Paul Rodgers und Co. eigentlich nie, einen Longplayer durchgängig packend zu gestalten. Und dennoch reiht sich hier Preziose an Preziose: Frühe, schon lang gestrichene Single-Mono-Mixe („Broad Daylight“,“l’m A Mover“) und noch seltenere B-Seiten („The Worm“, „Sugar For Mr. Morrison“) ergänzen sich mit essenziellen Albenauszügen in größtenteils ungewohnten Versionen („Over The Green Hills“, „Mourning Sad Mourning“, „Travellin‘ Man“, „Ride A Pony“). Herausragend bei dieser ungewöhnlichen Historienbewältigung ist die akribische Detailarbeit: So fand sich beispielsweise die noch von Ur-Produzent Guy Stevens (Mott The Hoople) unter dem Titel „Visions Of Hell“ betreute Frühversion von „Free Me“ und „Moonshine“ mit noch wackeligem Gesang von Paul Rodgers. Die einem Stalker gewidmete Single „l’ll Be Creepin'“ ist mit dem unheimlich gesprochenen Monolog Paul Rodgers‘ und Paul Kossoffs hypnotischem Riff auf seiner vollfett tönenden Gibson Les Paul Standard perfekt in Szene gesetzt. Gleich mehrere Highlights stammen aus den Sessions von FIRE AND WATER: „Woman By The Sea“ entpuppt sich dabei als Work-in-Progress von „Remember“. In etwa die gleiche Zeit fällt der noch lahme Versuch der Band, sich erstmals dem späteren Hitknaller „All Right Now“ zu nähern. Schier unglaublich ist die Ökonomie des Quartetts bei der wundervollen Ballade „Oh, I Wept“. Eher uncharakteristisch tönen Free bei dem akustischen „Spring Dawn“ von 1969, während der exzellente Losrock-Outtake „Rain“ aus dem eher pastoralen vierten Album HIGH-WAY stammt. Amüsant, doch eigentlich überflüssig: der mit Piano eingespielte Studiospaß von Jagger/Richards „Honky Tonk Women/Lady“ oder Rodgers ausufernde Keyboards bei „Guardian Of The Universe“. Durchweg gute Noten gilt es indes an die Singles zu vergeben, die nach „All Right Now“ erschienen: Die ’45er „The Stealer“,“My Brother Jake“,“Little Bit Of Love“,“Wishing Well“ und „Travellin‘ In Style“ – übrigens alle hier in ungewohnten Fassungen zu hören – darf man getrost und ungestraft als kompakten Brit-(Hard)- Rock mit Glam-Einschlag bezeichnen. Eine weitere CD ist zwei bis dato nur auszugsweise (auf FREE LIVE!) veröffentlichten Live-Paketen mit jeweils sieben Titeln gewidmet. Eingespielt auf dem kommerziellen Höhepunkt 1970 in Croydon und Sunderland, lässt sich die wie aus einem Guss klingende Konzert-Chronik qualitativ durchaus zwischen damaligen Verkaufsrennern wie LIVE AT LEEDS (The Who) und GET YER YA YA’S OUT (Rolling Stones) einordnen. Der letzte Silberling indes ist eine eher zwiespältige Angelegenheit, aber auch eine Fundgrube für eingefleischte Free-Fans, da er ausschließlich Soloprojekte präsentiert viele in der Auszeit um 1971 entstanden: Neben vier der besseren Songs von KOSSOFF, KIRKE, TETSU & RABBIT gibt es hier zum allerersten Mal zwei Stücke von Paul Rodgers‘ kurzlebiger Band Peace zu hören. Befremdlich klingt dagegen Rodgers‘ Kollaboration bei „(I Just Wanna) See You Smile“ mit der jamaikanischen Reggae-Formation The Maytals. Ergänzt wird der intensive Gang durch die Archive um zwei Titel von Andy Fräsers hervorragend besetzter Band Sharks (mit Studio-Gitarrist Chris Spedding) und einem Duett von Paul Kossoff mit dem britischen Gitarren-Folkie John Martyn.
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