Miles – Miles :: Pop in Perfektion

Früher, ganz früher nannten sie sich „Miles From Nowhere“, und ehrfürchtig erzählte Geschichten über diese ja unglaublich gute Indierockband hörte man aus dem Mund von Freunden, die das Studium ins Fränkische, nach Würzburg verschlagen hatte. Später, wenig später ließen sie bei ihrem Namen das „From Nowhere“ weg und das „Miles“ stehen. Jahre, vier lange Jahre dauerte es, bis der durch den Namenswechsel theoretisch vorgegebene Richtungswechsel auch den Bauch der Band erreicht hatte – Free Your Mind And Your Ass Will Follow. Eine Raupe im Holzfällerhemd hatte sich verpuppt und flatterte nun mit dem Album THE DAY I VANISHED als bunt schillernder Pop-Schmetterling empor. Keine Verlorenheit mehr im Nirgendwo, im Staub, meilenweit entfernt vom Nichts; stattdessen das Strahlen heiter Vokale, Riesenschritte in blankpolierten Schuhen, unendliche, frische Frühlingsweite. Die Namensänderung passt akkurat. Genau wie der Titel ihres neuen Albums: Die Wandlung zur Popband ist abgeschlossen, Miles ruhen in der neuen Rolle in sich selbst und haben keinen speziellen Albumnamen nötig. Es wäre auch vermessen, zu versuchen, die Facetten von MILES unter einem Titel zusammenzufassen. Zu vielfältig, verspielt, versponnen und experimentierfreudig tasten sich Miles in verschiedene Richtungen und spinnen dann doch wieder ein Netzwerk zwischen den verschiedenen Extremen, bis es sich verdichtet zu dieser Platte, die keinen Mittelpunkt erkennen lässt, weil sie mindestens elf davon hat. In ihrer kunstvollen Konstruktion kippt sie nie, egal, aufweiche Seite man sie stellt. Popmusik im Gleichgewicht. Wahrscheinlich eher durch Talent als durch eine in diesem Fall wohl kaum zu bewältigende mühevolle Arbeit schlagen Miles hier die Brücke zwischen elf Stücken, von denen jedes für sich besteht und doch im Unter- oder Halbbewussten auf das andere verweist. Der orchestrale Paukenschlag „Disco Queen“ läutet das Album ein, eine große Geste zwischen Shirley Bassey, John Travolta und „Eleanor Rigby“. Übergangslos lassen sich Miles in „We Need More Close-Ups“ treiben, einen Pop-Windjammer mit geblähten Segeln, und landen damit am Hafen der Großstadt. „Bogota“ behält eine ruhige Oberfläche, während sich im Song-Inneren eine komplexe Rhythmik auch mal nach Südamerika vorwagt. Der Komponist von „Barracuda“ hatte bei der Arbeit am Klavier die Füße im Sandkasten und einen Richard Lester-Film im Videorecorder. Dann erst folgt die erste Single „Perfect World“ der Titel als Programm. Gültig für das gesamte Album: Eine Popwelt in Perfektion, modern und zeitlos. Bleibt allein die Frage: Haben Miles nicht zuviel gewollt und das Album mit Ideen überladen? Antwort: nein. Sie wissen genau, wann die Grenze erreicht ist und bremsen ab, bevor der Glückseimer überläuft. Dazu gehört auch, dass sie sich auf die klassische LP-Länge von 45 Minuten beschränken. Großer Glückwunsch.