Magnolia :: Kinostart: 13.4.
Mit dem Schluss von BOOCIE NICHTS wollte Paul Thomas Anderson das traurigste Happy End der Filmgeschichte auf Zelluloid bannen. Jetzt hat der 29-Jährige einen der traurigsten Filme aller Zeiten geschaffen, der allerdings ein hoffnungsvolles Ende hat. Oder mit anderen Worten: Ein ebenso ambitioniertes wie gigantisches – in Berlin bereits mit dem Goldenen Bären ausgezeichnetes – Meisterwerk über neun einsame Seelen in Südkalifornien, das sich Themen wie Hass und Vergebung, Schmerz und Versöhnung und das Leid, das Väter ihren Kindern antun können, aufs Banner geschrieben hat. Schwer oder gar bemüht wirkt MAGNOLIA allerdings nie. Dafür ist der Film zu furios, die Figuren sind zu greifbar echt, die drei Stunden Laufzeit vorbei wie im Flug. Die Handlung erstreckt sich über eine einzige Nacht im San Fernando Valley, durch die Anderson seine scheinbar willkürlich gewählten Charaktere schickt und an deren Ende bittere Erkenntnisse stehen. Bevor es aber so weit ist, gibt es eine einzigartige Eröffnungsequenz: Drei eigenartige, unzusammenhängende Zufälle rasen da im Affentempo an einem vorbei. Ein Tempo, das Anderson auch bei der Einführung seiner Hauptfiguren beibehält. Alles ist Zufall, will er sagen. Erst langsam schälen sich aus diesem furiosen Kaleidoskop Zusammenhänge heraus, lassen sich zwei Leitmotive erkennen: Das langsame Sterben des Familienpatriarchen Big Earl, der nach seinem verlorenen Sohn – einem von loderndem Frauenhass angetriebenen Selbsthilfe-Sexguru (großartig:Tom Cruise)-fahndet, und die Game-Show „What Do Kids Know?“, die von dem vermeintlichen Saubermann Jimmy Gator moderiert wird. Auch der hat erfahren, dass er nicht mehr lange zu leben hat, und auch er will Frieden mit seiner entfremdeten Tochter schließen. MAGNO-LIA ist randvoll mit diesen Parallelstrukturen, die immer wieder neue Blicke auf Situationen, Menschen und Emotionen zulassen. Das Motiv der Game-Show hat Anderson wohl nicht nur deshalb gewählt, weil er selbst einmal Produktionsassistent bei einer war: Letzten Endes will seine Großstadt-Odyssee – Ähnlichkeiten mit Joyces „Ulysses“ sind beabsichtigt – sagen, dass das Leben selbst eine große kosmische Show ist, mit dem Spirit in the Sky als Regisseur, der schon mal eingreift, wenn die Dinge nicht nach Skript laufen. So kommt es am Ende des Films, wenn man sich fragt, wie diese Ansammlung intimer Geschichten aufgelöst werden könnte, zu einem Naturereignis, das man ohne schlechtes Gewissen schon jetzt zur Filmszene des Jahres küren könnte. Es sei denn, man zieht den wunderschönen Moment vor, wenn alle neun Figuren unabhängig voneinander in den Song“Wise Up“von Aimee Mann (auf Geschichten aus deren Songs Andersons Drehbuch basiert) einstimmen. Oder Tom Cruises Szene am Sterbebett seines Vaters. Oder Julianne Moores Wutausbruch in einer Apotheke. Alles ist möglich in dieser Game-Show MAGNOLIA, die das Leben kennt wie schon lange kein Film mehr.
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