Die Importe
Don Marco ist müde. Wieder hat es mit dem Winterschlaf nicht geklappt, jetzt muss er sich durch die trübe Jahreszeit schleppen, an Fensterscheiben kratzen, die langen Unterhosen aus dem Schrank zerren und die Tage zählen, bis die Sommerszeit wiederkommt Aber zum Glück gibt es ja die Vorstellungskraft. Und so legt er sich eine wunderbare CD auf, die er kürzlich von freundlichen Menschen aus New York zugeschickt bekam, und die ihn zumindest akustisch in wärmere Regionen begleitet“Ondi Sonorai R*d Hot + Ibbon“
(Bar/None) 6 lautet der Titel der elften Aids-Benefiz-Compilation der New Yorker Red Hot Organization.die uns bereits einige nicht nur wohltätige sondern zudem auch musikalische Clanzstücke beschert hat. Nach „Red Hot + Rio“ geht es diesmal, wie es der Titel bereits andeutet, um Portugal. Die ehemalige Weltseemacht mit Kolonien bis nach Südamerika (Brasilien) und Afrika (Angola, Mosambik, Kap Verde) hinterließ nach ihrem Niedergang neben den architektonischen und politischen Spätfolgen vor allem bis heute spürbare Akzente in Sachen Kultur. Und hier nicht zuletzt in der Musik. So versammeln sich hier 23 Bands, Künstler und Projekte aus den verschiedensten Ländern, um diese Stile, Formen und Transformationen in ihrer ganzen Breite und vor allem auch modernen Vielfalt zu dokumentieren. Nicht der historische Rückblick war das Ziel, sondern der nach vorn gerichtete Austausch von Information, Sprache und Ideen. Namen wie David Byrne & Caetano Veloso (erstmals gemeinsam vor dem Mikro, ein Traumstart!), Smoke City (mit einer portugiesisch gesungenen Version von „Mr. Gorgeous“), K.D. Lang (erstmals in portugiesisch mit dem „Fado Hilario“) oder Mitinitiator Arto Lindsay (der mit dem brasilianischen Rockpoeten Arnaldo Antunes kooperiert) sind für „Weltmusik“-Neueinsteiger sicher die Zugpferde, aber Don Marco verspricht bei seiner Gürtelschnalle, dass auch und gerade die unbekannten Acts für große Momente sorgen. Noch ganz warm ums Herz macht sich unser kleiner Entdecker auf nach Irland, wo er die frohe Kunde vernommen hat, dass dort Freunde und Förderer des großen MkhMl Huriay (also mir persönlich ist die große Uz Hurley lieber; Anm. d. Red.) ansässig sind, die nicht nur das Blue Navigator-Fanzine herstellen, sondern auch zwei neue Hurley-Platten unter die Menschheit bringen. Seitdem sein letztes deutsches Label Veracity den Betrieb einstellte, ist der multitalentierte Eigenbrödler und Lebenskünstler, „eine Art Dandy des hippen Hippietums“ (Karl Bruckmaier), ohne deutschen Anker, was umso trauriger ist. da sowohl „Weatherhole“ (Field Recording) 5 als auch die „Bellemade Sessions“ (Blue Navigator) 6 mit zum Besten gehören, was das Songwritertum dieser Tage zu bieten hat. Erstere Platte wurde in anständigen Studios in New York, Richmond und Ohio mit hochkrätiger Unterstützung u.a. aus dem Lager von Sparklehorse und Cracker aufgenommen, letztere ist mit „A Return To The Land Of LoFi“ untertitelt und enthält Skizzen, Coverversionen und andere Obskuritäten. Womit wir schon Mitten im Land des Robbie Fulks und dessen Zwischenbericht „The Very Best Of…“ (Bloodshot) 5 wären. Er wurdewie manch anderer – nach zwei tollen Indie-Platten Opfereines jener tragischen Major-Label-Missverständnisse und kehrt jetzt reuevoll in den Schoß von Bloodshot zurück. Da gehört er mit seiner feuchtfröhlichen Revue zwischen NRBO und Mojo Nixon auch hin. Wer noch dringend eine Stimmungsband für seine nächste Birthday-Party sucht, kann ja mal im Internet unter www.robbiefulks.com sein Glück versuchen. Und da Don Marco schon mal in Party-Laune ist, kommt ihm „Pee Wee King’s Country Hoedown“ (Bloodshot) 5 gerade recht, handelt es sich doch dabei um eine 51-Song-Sammlung von bislang unveröffentlichten Western-Swing-Nummern im Stil von Gene Autry oder auch im Stil der Country-Exkursionen eines Robert Mitchum, die 1952 von Pm Wm King, einem Amerikaner polnischer Abstammung, mit seiner Gang in Louisville, Kentucky, aufgenommen wurden. Ob Polka, Jazz, Novelty-Pop oder akkordeonlastiger Western-Schmalz – Pee Wee umkurvte die damaligen Country-Gesetze elegant und croonte sich von Nummer zu Nummer. Für Menschen mit Herz und Verstand machte er somit das Leben ein wenig besser. Und auch Don Marco ist jetzt mitten in der winterlichen Nacht noch topfit und übt im Wohnzimmer alleine den Line-Dance. In diesem Sinne: Adios amigos. Don Marco Kontakt« Bar/None: www.bar-none.com Bloodshotwww.bloodshot.com Michael Hurley: www.snock.com
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