Spot Aus Licht An!
In den siebziger Jahren war er der König von Deutschland. Der Ouotenkönig zumindest, denn kein Popformat im Fernsehen erreichte wie Richters „Disco“ bis zu 20 Millionen Zuschauer. Schelte mußte Richterjahrgang 1952, dennoch über sich ergehen lassen: Weil auch Schlagersänger in der „Disco“ auftraten, galt die Sendung unter Rockfans als reaktionär. Richter mimte zudem den exakt gescheitelten Traum aller Schwiegermütter und seine Sketche, naja, waren nur selten zum Brüllen. Richter weiß das, und er macht keinen Hehl daraus, daß er tatsächlich ein Muttersöhnchen war. Seine Filmklamotten vom Schlage „Tante Trude aus Buxtehude“ sind ihm heute richtiggehend peinlich, doch Ilja Richter versucht nicht, seine gemeinsam mit Harald Martenstein verfaßte Autobiographie als Rechtfertigung für künstlerische Katastrophen zu nutzen. Statt dessen regieren Selbstironie und sympathische Offenheit, wenn er über seine Naivität, die ein wenig zu enge Mutterbindung oder die krampfhaften Versuche seiner Eltern spricht, im Nachkriegs-Berlin Fuß zu fassen. Ein wahrhaft unterhaltsames Triumvirat: der proletarische Vater, die jüdische Mutter und der ewige Kinderstar. Ebenso vergnüglich lesen sich Richters Seitenhiebe auf die Profi-Flachleger Rudi Carrell und Udo Jürgens, auf den windschnittigen Dieter Thomas Heck oder Seventies-Phänomene wie Flokati, Raumteiler und Clogs: Letztere zwingen ihn zu einem „langsamen, schlurfenden Gang, ungefähr wie sehr alte Männer im Gefängnis ihn haben. Wir gehen alle wie Rudolf Hess, eine vielleicht gar nicht so unpassende Form der Buße für die im deutschen Namen verübten Untaten.“ Richter wird vermutlich zeitlebens Buße tun, zu stark haftet das „Disco“-Image, das seine Talente als Kolumnist, Kabarettist, Schauspieler – und nicht zuletzt Buchautor überdeckt. Wie ungerecht das ist, macht SPOT AUS! LICHT AN! auf unterhaltsame Weise deutlich.
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