Simply Red – Love And The Russian Winter
Daß Mick Hucknall total gut drauf ist und gerade das tolle siebte Studioalbum von Simply Red vom Stapel gelassen hat, ist eigentlich schon die ganze Nachricht. Was sie sich von Love And The Russian Winter erwarten können, wissen die Fans sowieso – deswegen haben sie Simply Red ja so gerne. Hier könnte nun jede Kritik aussetzen, sich mit einem kulturpessimistischen Seufzer zurücklehnen und dem süßen Rotschopf mit den blauen Augen und goldenen Zähnen seinen Erfolg gönnen: Gönn, gönn, gönn, die Single „Ain’t That A Lot Of Love“ und allerlei Textzeilen ä la „The first time was the best time“ und „I wanna look into your eyes again“ plätschern vorbei wie warmes Wasser. Plätschern vorbei wie Lighthouse Family oder Six Was Nine fluffiger Soul, garniert mit Als-Ob-Gitarren, Alibi-Saxophonen und diesen stumpf kopulierenden House-Beats, die neuerdings en vogue sind. Und weil uns die Zeit doch ein bißchen lang wird, schmökern wir noch ein wenig im Waschzettel der Plattenfirma, wo Hucknall beispielsweise den Titel des Albums erläutert und dabei Sachen absondert, die den Unterhaltungswert von Love And The Russian Winter locker übertreffen:“Das mit der Liebe erklärt sich wohl von selbst. Sie treibt und inspiriert uns ein Leben lang“, behauptet Hucknall, um konziliant hinzuzufügen; „Nicht nur die Dichter und Songwriter unter uns! Und was den russischen Winter betrifft: Ich dachte darüber nach, wie etwas so schroffes unser Retter gewesen sein kann. Es ist doch ironisch, daß Schnee und Eis die Welt vor Alexander dem Großen und Napoleon bewahrt haben.“ Und Hitler. Hitler pfui finden ist nie falsch. Wir wollen nicht kleinlich sein, aber Napoleon wurde auf einem nebligen Kartoffelfeld bei Leipzig politisch geschlagen, bei der abschließenden Schlacht von Waterloo holte er sich gar einen Sonnenbrand. Und was Alexander den Großen betrifft: Es ist doch ironisch, daß er am Indus umkehren mußte, weil seine mazedonischen Soldaten keinen Bock auf Indien hatten. Noch ironischer. Der größte Feldherr der Antike starb bald darauf im schwülen Babylon an der Grippe. Aber das ist lange her, ist Haarspalterei, und deshalb entlassen uns Simply Red mit dem nachdenklichen „Wave The Old World Goodbye“ in den langen russischen Winter des nächsten Jahrtausends.
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