Eyes Wide Shut
Wenige Sekunden reichen aus und man weiß: nur Stanley Kubrick kann diesen Film gemacht haben – ohne daß man genau beschreiben könnte, woran man das sieht. Es ist diese strenge, raumgreifende Bildkomposition, die penible, strahlende Ausleuchtung, die die Hand des größten amerikanischen Filmemachers verrät. Zwölf Jahre mußte man nach FULL METAL JACKET warten, um die schon vor ihrem Start legendäre letzte Arbeit Kubricks erleben zu dürfen, deren Dreh allein 15 Monate beanspruchte und für die Kubrick das Ehepaar Kidman/Cruise knapp drei Jahre exklusiv für sich in Beschlag nahm. Fast schon sklavisch hält sich der Regisseur bei seiner Adapation von Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ aus dem Jahr 1926 an die Vorlage. Zwar verlegte er die Handlung vom Wien der Jahrhundertwende ins New York der Jahrtausendwende, aber sonst bleibt alles beim alten: Verwirrt und erschüttert vom Eingeständnis seiner Frau (Kidman), sexuelle Fantasien mit anderen Männern zu haben, stolpert William Harford (Cruise) in einen erotischen Fiebertraum, in dem er mehrfach in Versuchung geführt aber im Schwebezustand zwischen Realität und Fantasie von Schuldgefühlen zurückgehalten wird – bis eine geniale Schlußpointe alles Gezeigte relativiert und eine neue Richtung gibt. „1999: A Sex Odyssee“ nannte ein Kubrick-Intimus diesen Psychoritt durch das Ödland menschlicher Bedürfnisse, aber wer auf voyeuristische Genüsse hofft, wird enttäuscht werden. Selbst die viel beschriebene Orgienszene ist klinisch kalt, wie bei dem alten Puritaner Kubrick nicht anders zu erwarten. EYES WIDE SHUT ist vor allem ein prickelndes Mind Game, in dem der Regisseur von Meisterwerken wie DR. SELTSAM, UHRWERK ORANGE oder SHINING eine ungeahnte Menschlichkeit offenbart. Er hat die Augen für immer geschlossen-jetzt ist es an uns, mit weit offenen Augen zu staunen.
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