Leftfield – Rhythm & Stealth

Dieses englische Duo hat in der zerklüfteten Dance-Landschaft des auslaufenden Jahrzehnts längst seine Schneise geschlagen. „Open Up“, die 1993 mit John Lydon eingespielte Single, weckte das Bewußtsein für den Mix von Techno und Rockelementen. „Not Forgotten“ von 1995 wurde in den Listen der britischen Dance-Organe „Mixmag“ und „Muzik“ soeben wieder als eine der 50 einflußreichsten Singles aller Zeiten gefeiert. Mit LEFTISM schafften Neil Barnes und Paul Daley in Britannien dann den Durchbruch mit einer halben Million verkauften Exemplaren. Nun haben die beiden Spätdreißiger den Salat. Was macht man nach einer so populären Platte? Wie schafft man es zudem, auch außerhalb des gelobten Pop-Eilands Fuß zu fassen? Vier Jahre sind seit Erscheinen des Debüts vergangen. Mindestens zwei davon arbeiteten die beiden Perfektionisten an der Feinabstimmung. Immer wieder haben sie Ideen ausformuliert, wieder verworfen und überarbeitet. Schließlich konkretisierten sich die Vorstellungen von Barnes und Daley doch zu einem durchgehenden Ansatz. Einem reduzierten nämlich. Damit der Rhythmus im Mix alle Freiheiten hat, soll sich der Rest der Musik verstecken. „Double Flash“, eine geradeheraus in die Magengrube preschende Detroit-Detonation, setzt den minimalistischen Grundgedanken kompromißlos in die Tat um. „Afrika Shox“ ist nicht weniger zimperlich. Der Beat schlägt wie ein Peitschenschlag auf, Caststar Afrika Bambaataa jubelt begeistert. Die New Yorker Electro-Eminenz ist dieses Mal die bekannteste Person auf der Helferliste. Leftfield scheinen einen Gegenentwurf zum vorherrschenden Trend erzwingen zu wollen. Andere Dance-Projekte schmücken ihre Werke gerne und oft mit renommierten Gästen, Barnes und Daley halten sich da zurück. Mit dem aufstrebenden Brit-Rapper Roots Manuva, der den Opener „Dusted“ mit warmem Timbre gleich ins rechte Licht rückt, dem Ragga-Recken Cheshire Cat und Nicole Willis, die schon mit Curtis Mayfield gearbeitet hat, erschöpft sich die Gästeliste bereits – was auch ein Ausdruck für den neuen bodenständigen Approach von Leftfield ist. Wer glaubt, diese Platte ließe sich einfach einordnen, den belehrt das Kontrastprogramm dieses Sets eines Besseren. Leftfield sind nach wie vor kein reiner Rave-Act. Der Einfluß des hymnenhaften Techno der frühen 90er Jahre wurde beiseite gedrängt. HipHop spielt jetzt eine größere Rolle. Popqualitäten hat die Musik auch, wenn man bedenkt, wie fix man bestimmte Sequenzen mitsummt. Der Umgang mit Roots-Reggae-Vibes und dubbigen Basslinien schließlich verrät einen Multi-Eklektizismus, der nur in London existiert. Wie das Album überhaupt einen Bummel durch die britische Hauptstadt nachzeichnet: Hastig hetzt man durch unzählige Shops und Straßen, erschöpft und glücklich macht man Pausen auf dem Soho Square, aus jedem Winkel sind andere Sounds wahrnehmbar. Und am Ende des Tages hört man alles zusammen auf einem neuen Stück Lieblingsmusik wieder. Auf dieser Platte nämlich.